Müllvermeidung:Mittagessen zum Mitnehmen? Gibt's hier nur in Einweckgläsern

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Angela Buchberger verzichtet in ihrer Tagesbar in Wolfratshausen auf Wegwerfverpackungen. Das Konzept geht auf.

Von Melanie Kraus, Wolfratshausen

Wer in der Tagesbar im Wirth-Haus einen "Coffee to go" bestellt, kann Überraschendes erleben. "Gibt's hier nicht", sagt Besitzerin Angela Buchberger freundlich lächelnd, "oder haben Sie Ihren eigenen Becher dabei?" Als sie das kleine Café am Wolfratshauser Obermarkt im vergangenen September eröffnete, tat sie dies mit einem Vorsatz, den sie konsequent durchzieht: kein Plastik und kein Alu - weder für das Essen noch für den Kaffee.

Stattdessen macht Buchberger ihren Kunden andere Angebote: "Setzt euch doch, wenn ihr zehn Minuten habt, dann bring ich euch gerne einen Kaffee." Ihre Erfahrungen mit dem Konzept seien sehr gut, zieht die gebürtige Tölzerin Bilanz, die Resonanz sei weitgehend positiv: "Man kann zusehen, wie sich die Menschen entspannen, wenn sie sich zum Hinsetzen entscheiden." Manch einer hat sich bei ihr für diese kurze Kaffeepause herzlich bedankt.

Wer ihre selbstgemachten Snacks, Glasnudel-, Bulgur- oder Linsensalate, zum Mitnehmen möchte, bekommt sie im Glas mit einem extra Frischhaltedeckel. Wie viele Wolfratshauser machen von diesem Angebot Gebrauch? "Einen Moment", sagt Angela Buchberger und verschwindet hinter einer Tür. Man hört es klappern, Glas trifft auf Glas, und kurz darauf erscheint sie, mit mehreren Kistchen unterm Arm, in denen sich die Deckel von Einweckgläsern aneinander reihen.

84 Einweckgläser hat Angela Buchberger herausgegeben. (Foto: Hartmut Pöstges)

"Die können wir mal zählen, dann wissen wir, wie viele Gläser im Umlauf sind", sagt sie. Die gläsernen Deckel bleiben übrig, wenn die Snacks aus der Vitrine das Haus verlassen. Derzeit sind es 84 Einweckgläser, die im Raum Wolfratshausen unterwegs sind.

Doch auch für die Überbleibsel weiß Angela Buchberger Verwendung zu finden: beispielsweise als Tellerchen für selbstgemachte Tapas bei ihrer jüngsten Veranstaltung im Café. Zwar erhebt Buchberger drei Euro Pfand auf die Behälter, allerdings sei bisher kaum einer zurückgegeben worden - im Gegenteil. Die Kundschaft bringe die Gläser immer wieder zur Neubefüllung.

Grundlage dieses Konzepts bilden zwei zentrale Gedanken der Inhaberin. Zum einen beobachtet sie den Verfall der Trink- und Esskultur, da "alles immer schnell, schnell und jederzeit verfügbar" sein muss, sagt sie. Es sei sehr schade, dass "die Leute im Gehen essen und trinken, ohne auf ihre Umwelt zu achten". Essen gehöre eigentlich an einen Tisch, nicht der Döner auf die Hand und in die U-Bahn. Die stets gehetzte Gesellschaft verlerne das Genießen.

Wenn ein Kunde den Kaffee doch mitnehmen will, gibt es Becher zum Wiederverwenden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zum anderen möchte die 50-Jährige ihre Müllproduktion so gering wie möglich halten. "Als ich gesehen habe, was all dieser Müll in der Natur anrichtet, hab' ich beschlossen, dass ich - sollte ich einmal dazu in der Lage sein, selbst Einfluss nehmen zu können - das auf jeden Fall anders regeln werde", ergänzt Buchberger.

Der Müll ist ihr besonders in den vom Menschen noch weitgehend unberührten Polargebieten aufgefallen. Die Tölzerin bereiste diese über sieben Saisons mit dem russischen Eisbrecher Khlebnikov, auf dem sie als Hotelmanagerin arbeitete. "Der Abfall wird dort überall massenweise angeschwemmt." Angela Buchberger erinnert sich an den Anblick einer jungen Robbe, um deren Hals sich Plastikmüll gewickelt hatte. Aber auch von anderen Orten der Welt, wie zum Beispiel der argentinischen Stadt La Plata, hat sie Fotos, "da wird's einem ganz schlecht". Nachhaltigkeit liegt der Café-Besitzerin deswegen sehr am Herzen und die Rechnung scheint aufzugehen: Die 80-Liter-Hausmülltonne der Tagesbar ist nach zwei Wochen nicht mal voll.

Als Weltverbesserin oder Besserwisserin möchte die Besitzerin des kleinen Cafés am Obermarkt mit diesem Konzept ganz und gar nicht dastehen. Sie habe einfach für sich selbst beschlossen, ihr Café "hygienisch, nachhaltig und ökologisch sauber" zu gestalten. Ihren Lebensstil wolle sie der Kundschaft damit nicht aufdrücken, betont Buchberger, aber für ihr Ladenkonzept seien ihre moralischen Vorstellungen eben wegweisend, sie wolle Denkanstöße geben.

Diese Entscheidung hat sie bereits vor Jahren gefällt, wie sie erzählt. Dass Plastik trotz allem aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken sei, ist der Tölzerin durchaus bewusst, "aber ein überlegtes Wiederverwerten ist notwendig". Man müsse das Bewusstsein dafür schärfen, wie mit der Welt umgegangen werde.

Zwar sei eine Konsumgesellschaft an sich "nichts Verwerfliches, denn das Rad muss sich drehen, das Geld muss verteilt werden, aber trotz alldem ist ein gedankenvoller Umgang mit dem, was man hat, gefragt." Was sie als Geschäftsfrau bestätigt: Auch mit diesem geradlinigen, bewussten Konzept sind am Ende des Monats alle Rechnungen bezahlt.

© SZ vom 17.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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