Als Treffpunkt hat Hans Merz den Reichersbeurer Bahnhof vorgeschlagen. Im Konvoi geht es dann eine schmale Schotterstraße entlang, durch ein kleines Wäldchen zum Mosenthal. Auf dem Grundstück eines landwirtschaftlichen Betriebs steht eine große Halle: Der Maschinenraum einer höchst geheimen Operation mit dem rätselhaften Namen „Muafaz“. Merz schiebt das Tor auf und ein riesiges, grinsend-grünes Gesicht begrüßt die Besucher. Ob der Fotograf ein Bild machen dürfe? Hans Merz und sein Mitstreiter Ernst Gerg nicken. Auch wenn natürlich alles „ziemlich geheim“ sei, damit nichts vor dem 2. März durchsickert.

Denn die Attacke der Maschkera, die von Reichersbeuern über Greiling durch den Khanturm in die Tölzer Marktstraße führt, lebt natürlich vom Überraschungseffekt. Wie die Tölzer den Angriff abwehren wollen, wissen die Reichersbeurer freilich auch nicht. Bekannt ist bislang nur, dass man sich den „Stadtpiraten“ unter dem Kommando von Ingo Mehner entgegenstellen will. „Wir hoffen für ihn, dass er dabei ist“, frotzelt Merz. Denn dass der damalige Bürgermeister Josef Janker vor zehn Jahren lieber in den Urlaub gefahren ist, als seine Stadt vor den närrischen Invasoren zu verteidigen, kam beim Faschingsvolk nicht gut an. Die Reichersbeurer ihrerseits rechnen mit prominenter Unterstützung. Landrat Josef Niedermaier werde alle Wagenbauer besuchen. „Der ist auf unserer Seite“, ist sich Gerg sicher.

Seit dem Jahr 1955 findet die „Mutter aller Faschingszüge“, kurz „Muafaz“, alle zehn Jahre statt. Einen Gegenangriff der Tölzer hat es in all den Jahren noch nie gegeben. Die Kurstadt ist nicht gerade eine Faschingshochburg. Womöglich ist man froh, dass wenigstens alle zehn Jahre die Maschkera aus der Nachbarschaft für Stimmung sorgen. Dass der Faschingszug als „Überfall“ inszeniert wird, sei inzwischen „nicht mehr so zentral“, sagt Merz. Der Muafaz sei einfach eine Riesengaudi, die den Ort „zusammen schweißt“.
500 Männer machen mit und 300 Frauen, die traditionell nicht auf den Themenwägen mitfahren dürfen und sich deshalb mit Fußwägen unter das närrische Treiben mischen. „Die Reichersbeurer Frauen haben kein Problem damit“, sagt Merz. Sie leisteten schließlich als Zeichen- und Schnapsverkäuferinnen einen wichtigen Beitrag für die Finanzierung des Gaudiwurms. Alle seien mit Feuereifer dabei, und man lerne so auch Leute kennen, mit denen man sonst nie in Kontakt käme.

In vielen Hallen und Garagen in Greiling und Reichersbeuern wird zurzeit noch gebaut und gewerkelt. 39 Gruppen sind heuer angemeldet. Es habe sogar eine Auslosung gegeben, weil mehr mitmachen wollten, aber in der Tölzer Marktstraße eben nur ein Zug mit höchstens 500 Metern Länge möglich sei. Der Aufwand für das kleine Dorf sei enorm, deshalb lasse sich so ein großer Faschingszug nur alle zehn Jahre stemmen. „Das ist schon was Besonderes“, sagt Merz.

Der 40-jährige Zimmerer ist zum dritten Mal dabei; für seinen Mitstreiter, den 38-jährigen Maurer Ernst Gerg, ist es der zweite Muafaz. Die beiden sind Profis: Vor zehn Jahren hat ihre Gruppe die „Black Pearl“ gebaut, jenes riesige Piratenschiff, das fast zehn Jahre neben dem Jailhouse ankerte, und von Besitzer Peter Frech sogar im Münchner Olympiastadion ausgestellt worden sei. Seit Oktober arbeitet ihr Team jeden Samstag am neuen Werk. Und ohne zu viel zu verraten – es ist wieder ein Hammer.

Ein Fahrzeug, das mit seinen 18 Metern Länge kaum in die Halle passt. Der Riesenschlitten ist ein Nachbau des legendären „Ecto-1“ aus dem Film „Ghostbusters“, ein 1959-er Cadillac mit roten Flossen. Als Vorlage diente den Reichersbeurer Maschkera ein Playmobil-Modell. Andere Gruppen hätten für ihre Wagen einen Bauplan gezeichnet, erzählt Gerg. „Wir haben einfach angefangen und da und dort was hin geschraubt.“ Nun, so wirkt das Ergebnis ganz und gar nicht; alles sieht so massiv aus, dass es mindestens zehn Jahre halten dürfte. Die Unterkonstruktion haben sie mit dem Holz aus einem abgebrochenen Stadl gebaut, das Innere mit Spanplatten und Sitzbänken ausgestattet, das Material sei größtenteils gespendet worden. Eine Leiter führt nach oben auf eine Freifläche mit Platz für die 20 Wagenbauer.

Bis auf ein paar „technische Spielereien“ sei alles fertig, sagt Merz. Gezogen wird der Riesenschlitten vom grünen Geisterschreck-Fahrzeug, bei dem der Traktor unsichtbar ist. Viele Mitglieder der Wagenbauergruppe sind Handwerker. Entsprechend hoch ist der Anspruch an die Qualität. Man wolle schließlich was "Gscheids" machen, sagen die beiden. Die TÜV-Auflagen hätten sich in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Ebenso die Sicherheitsvorschriften, weshalb der Zug heuer nicht wie vor zehn Jahren beim alten Kino wendet, sondern bereits vor der Isarbrücke nach links abbiegt und die Osterleite hinauf führt.

34 000 Zuschauer waren beim letzten Mal dabei, und wenn das Wetter passt, rechnet das Komitee des Vereins „Reichersbeurer Faschingszug“ heuer mit ähnlichen Zahlen. Die große Politik bleibt beim Muafaz weitgehend außen vor, sagt Merz. Das sei heutzutage nicht mehr so einfach, „da zieht man sich schnell einen Schiefer ein.“
Die Wägen müssten vom Komitee abgesegnet werden, weil „politisch schwierige Themen“, wie etwa Migration, tabu seien. Am Tag danach, dem Rosenmontag, findet in der Reichersbeurer Turnhalle ein großer Faschingsball für alle Mitwirkenden statt, am Faschingsdienstag wird der Ort gesperrt und die Wägen noch einmal ausgestellt. Das war's dann.
„In ein Loch falle ich nachher nicht“, sagt Merz. Denn nach fünf Monaten Vorbereitung sei es dann auch mal gut. Und vielleicht gebe es ja jemand, der nach dem Fasching Verwendung für den Geisterjäger-Wagen habe.