Wer sich durch Online-Portale klickt, findet im Isarwinkel südlich von Bad Tölz, entlang des Loisachtals zwischen Bad Heilbrunn und Kochel am See sowie der Jachenau zahlreiche Bergtourenvorschläge für Mountainbiker. Für die Freizeitsportler aus der Region bis um die Landeshauptstadt München ist das Gebiet im Süden des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen beliebt. Doch gerade, wenn sich Wanderer und Mountainbiker auf schmaleren Steigen begegnen, steigt das Konfliktpotenzial. Umso mehr als die Menge der Erholungssuchenden seit der Pandemie in der Region stark zugenommen hat.
Das war wohl einer der Gründe, warum der Deutsche Alpenverein (DAV) den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen als eine von zwei bayerischen Modellregionen – die andere ist der Landkreis Oberallgäu – für ein nachhaltiges Lenkungskonzept ausgewählt hat, das die Freizeitsportler auf zwei Rädern leiten soll. Das bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz förderte das Projekt „Bergsport Mountainbike – nachhaltig in die Zukunft“ mit 250 000 Euro.
Zu den Zielen zählte, für diese Gruppe von Freizeitradlern ein eigenes Netz an Wegen zu etablieren. Auf ihnen sollte der Erholungdruck kanalisiert und das natur- und sozialverträgliche Mountainbiken gefördert werden. Doch zumindest für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen blieb das Modellprojekt ergebnislos. Die verschiedenen Interessengruppen, vom Deutschen Alpenverein (DAV) über Almbauern, Waldbesitzer und Naturschützern bis zu den Kommunen und Behördenvertretern, diskutierten zwischen 2018 und 2024 sechs Jahre lang und konnten sich trotzdem auf keinen einzigen Trail für Mountainbiker verständigen.
„Es gab große Vorbehalte seitens der Grundstücksbesitzer“, sagt Nicolas Gareis, der das Projekt von 2022 an für den DAV leitete. „Das Ergebnis ist ein Stück weit ernüchternd, weil wir nicht alle Bedenken in Luft auflösen konnten.“ Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sei allerdings auch die Dynamik geringer gewesen als im Oberallgäu. Dort habe sich der Verein Mountainbike-Allgäu etabliert und etwa eine wichtige Scharnierfunktion zu Behörden und Politik übernommen. Ein solches Projekt brauche aber so viel ehrenamtliches Engagement wie möglich.
„Jeder sollte sich so verhalten, dass es andere nicht stört“
Im Oberallgäu existieren seitdem ein paar ausgewiesene Trails für Mountainbiker. Generell zog sich das Modellprojekt doppelt so lang hin wie ursprünglich geplant. Das lag einerseits an der Pandemie, in deren Akutphase begonnene runde Tische mit allen Interessensgruppen nicht mehr persönlich stattfinden konnten. Zudem hörte Benjamin Trotter als erster Projektverantwortlicher Mitte 2022 auf.
Als vollkommen gescheitert will Gareis das Modellprojekt für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen trotzdem nicht bewerten. Aus seiner Sicht habe sich zwischen den verschiedenen Interessensgruppen ein gelungener Dialogprozess entwickelt. „Es wird miteinander und nicht übereinander gesprochen“, so Gareis. Zudem seien aus dem Projekt drei Leitfäden über Haftungs-und Instandhaltungsfragen sowie zu Lösungsansätzen bei Konflikten entstanden.

Die könnten sich bei rücksichtsvollem Verhalten von Bergwanderern und Mountainbikern weitgehend beherrschen lassen. Zumindest klingt das bei Jörg Happach so, der die Mountainbike-Gruppe der „Gipfelstürmer“ mit Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 14 Jahren der Tölzer DAV-Sektion leitet. „Jeder sollte sich so verhalten, dass er andere nicht stört“, sagt er. So sei er etwa mit dem Mountainbike auf schmalen Wegen erst gar nicht zur Hauptfrequenzzeit durch Bergwanderer unterwegs. Außerdem komme es auf die richtige Fahrtechnik an, um Schäden zu minimieren. Das heiße etwa, mit dem Hinterrad nicht zu stark zu bremsen, was starke Spurrillen nach sich ziehe.
Eigens eingerichtete Routen sollen die Mountainbiker generell auf den Wegen halten und eben gerade verhindern, dass sie einfach querfeldein fahren und damit Natur und Umwelt schädigen. Trotzdem spricht der Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz, Friedl Krönauer von einem „schwierigen Konfliktthema“. Viele Grundstücksbesitzer wollten einfach keine Trails, sagt der Kochler. Auch manche Gemeinden sperrten sich, weil sie befürchteten, so noch mehr Mountainbiker anzulocken. In der Jachenau stellte die Kommune auf Pfaden teils sogar Verbotsschilder auf.

Rechtlich haben diese allerdings keine bindende Wirkung. Nach aktueller Gesetzeslage ist in Bayern grundsätzlich erlaubt, mit dem Mountainbike auf geeigneten Wegen zu fahren. Doch was genau darunter zu verstehen ist, öffnet Raum für Diskussionen. Problematisch seien Mountainbiker etwa auf moosigen oder feuchten Steigen, deren Zustand dadurch besonders leide, sagt Krönauer. Generell bedauert er, dass das Modellprojekt in Bad Tölz-Wolfratshausen nicht vorangekommen ist. „Bei uns wäre sicherlich einiges möglich gewesen“, sagt der BN-Vorsitzende. „Wir werden alle nicht durch Fundamentalismus weiterkommen.“
Einem eigenen Trail für Mountainbiker am nächsten gekommen ist der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen in Benediktbeuern: beim sogenannten Benediktenwandtrail vom Alpenwarmbad hinauf Richtung Tutzinger Hütte. Auf der Strecke kreuzt ein Steig wiederholt die hinaufführende Forststraße. In diesem Fall wäre die Gemeinde für einen Trail gewesen und auch der Grundstückseigentümer, die Bayerischen Staatsforsten. Schlussendlich scheiterte er jedoch am Geld. „Wir hätten den Weg gestellt. Die Sektion Tölz hätte sich darum gekümmert“, sagt der Vorsitzende der Tutzinger DAV-Sektion, Tobias Heß. „Wir haben aber nicht das Geld, den Weg herzurichten.“ Heß berichtet von Ausweichstellen und mehr. „Das wäre viel Arbeit gewesen.“
Von einer vertanen Chance spricht der Benediktbeurer Bürgermeister Anton Ortlieb (FW). Die Kommune wolle ruhigen und naturnahen Tourismus. Dafür hätte aus seiner Sicht auch ein Mountainbike-Trail gut gepasst. Laut der Bergwacht gebe es auch bislang auf der Strecke kaum Konfliktsituationen zwischen Mountainbikern und Bergwanderern. „Ein Trail hätte uns gut gepasst.“