Montessorischule Dietramszell:Ort der Entfaltung

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Die Schule feiert ihr 30-jähriges Bestehen mit Musik, Tanz und Theater, dankbaren Schülern, fleißigen Eltern und flatternden Friedensboten.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Rund um die Montessorischule herrscht am Samstag Festivalatmosphäre: Auf dem Waldweiherparkplatz ist eine kleine Zeltstadt aufgebaut; Festzelt, Bühne, Essensstände. Kinder probieren sich im Klostergarten an Mal- und Werkständen aus oder kickern, bis in den Abend gibt es Musik, Tanz und Theater. Unter großem Jubel werden "Friedenstauben" in den Himmel geschickt, die Züchter Hans Schichtl zuvor behutsam in Kinderhände gelegt hat. Ein fantastisches Programm, das in einjähriger Arbeit von Eltern, Schülern und Lehrern auf die Beine gestellt wurde, um einen großen und einen kleinen Geburtstag zu feiern: Vor 30 Jahren wurde die Montessorischule in Dietramszell eröffnet, vor einem Jahr das angegliederte Erdkinderhaus in Hainbach im Chiemgau.

Moderiert wird die Feiersause von Elternbeiratsmitglied Isabelle Maraji und Bananafishbones-Frontman Sebastian Horn, dessen Sohn dort heuer den Mittleren Abschluss gemacht hat. 30 Jahre - eine bewegte Zeit, nicht frei von anfänglichen Ressentiments und Krisen. Diese sind aber längst Geschichte und die Montessorischule ein wichtiger und wertgeschätzter Teil des Dorfes. "Wir feiern heute ganz groß die visionären Ideen Maria Montessoris", sagt Rektor Michael Rettinger. Nicht Weihrauch solle an diesem Tag durch die Reihen ziehen, sondern ein Kaleidoskop persönlicher Erinnerungen.

Beste Zeugnisse stellen Sebastian Mertens und Agilolf Perras ihrer ehemaligen Schule aus: Mertens, der 2002 den Realschulabschluss gemacht und anschließend eine Lehre als Bankkaufmann absolviert hat, dankt seinen Lehrern. An der Montessorischule müsse man sich den Lernstoff selbst erarbeiten, "das dauert länger, ist aber fundierter". Perras, Schüler bis 2004 und inzwischen Landwirt und Schafwollproduzent, nennt es "ein Privileg, auf so eine Schule gehen zu dürfen". Es gehe nicht um Noten, sondern darum, "wie sich ein junger Mensch entwickelt". Dafür brauche es Freiräume. Er sei ein "verrückter Schüler" gewesen, sagt Perras. "Auf einer andere Schule hätte man mich nicht bändigen können."

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:Jubiläum Montessorischule Dietramszell

Die Montessorischule Dietramszell feiert ihr 30-jähriges Bestehen.

Stephanie Schwaderer

Die Wurzeln der Dietramszeller Montessorischule liegen eigentlich in Geretsried. Auf Initiative einer Frauengruppe wurde die Reformschule im März 1988 in einem ehemaligen Firmengebäude in Geretsried gegründet. "Wir hatten keine Stühle, keine Bänke und die Lehrer wussten noch nicht recht, wie das alles gehen soll", erinnert sich Mitgründerin Brigitte Maus. Drei Jahre später musste die Schule ausziehen und fand eine neue Heimat im Dietramszeller Kloster. Der Montessorischule sei man zunächst "kritisch und voller Sorge" gegenübergestanden, erinnert sich Schwester Oberin Emanuela. Aber mit Geduld und gegenseitiger Achtung sei das Vertrauen gewachsen. "Wir freuen uns sehr, dass die Klostergänge voller quirliger junger Leute sind", betont die Oberin, die zum Geburtstag eine selbst gestaltete Kerze überreicht. 1992 startete die Schule in Dietramszell als Teilhauptschule mit zwölf Schülern, seit 2001 kann man dort auch den Realschulabschluss machen.

Auch der Erdkinderplan, der auf einem Konzept Maria Montessoris beruht, wird umgesetzt: Siebt- und Achtklässler sollen an einem außerschulischen Lernort vom Leben fürs Leben lernen. "Denn Menschenkinder zwischen zwölf und 16 sollte man nicht in der Schule einsperren", sagt "Erdkinderfrontfrau" Maria Döbler. 2012 wurde das Konzept in einem Haus in Arzbach umgesetzt, dessen Mietvertrag allerdings nicht verlängert wurde. Nach intensiver Suche fand sich ein Haus in Hainbach im Chiemgau, das von der Regierung von Oberbayern als "Außerschulischer Lernort" genehmigt wurde. Auch Krisen gab es in der Schulgeschichte. Als Christa Kaminski im Jahr 1996 die Schulleitung übernahm, wurde die Schule mit Scientology in Verbindung gebracht, weil Eltern zweier Schüler Mitglieder der Sekte waren. Was folgte, sei ein "Exodus" gewesen, sagt Kaminski, die Schülerzahlen brachen massiv ein. Schritt für Schritt sei es gelungen, das Vertrauen wiederherzustellen, auch dank der Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Benno Lichtenegger und der Schwestern. Die Schülerzahlen stiegen wieder an, sie liegen seit Jahren stabil bei etwa 290. "Ihr gehört zu Dietramszell dazu", sagt Bürgermeisterin Leni Gröbmaier am Samstag. "Wir sind froh, dass ihr da seid."

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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