Süddeutsche Zeitung

Moderne Bauten in gewachsenen Dörfern:Ortsentwicklung spaltet Münsing

Bürgermeister kritisiert optische Verschandelung der Dörfer, weil Bauherren zunehmend ihre Geschmäcker durchsetzten.

Von Benjamin Engel

Welches Maß an moderner Architektur verträgt ein gewachsenes Dorf? Diese Grundsatzfrage hat den Gemeinderat in der jüngsten Sitzung gespalten. Im Gremium fiel der Bauantrag für ein modernes Einfamilienhaus mit einem asymmetrischen Dach ohne Überstand - ganz im Gegensatz zur ortsüblichen Bebauung - glatt durch. Die Räte verweigerten das gemeindliche Einvernehmen, obwohl die Verwaltung das rein rechtlich gar nicht für zulässig hielt.

Trotzdem teilt Bürgermeister Michael Grasl (FW) die Sorge um die Ortsentwicklung. Oft hätten die Bauherren kein Gefühl für die Umgebung, sondern sähen nur ihre individuellen Wünsche und Geschmäcker, schreibt er in einer Pressemitteilung. "Die Toscana-Villa aus dem Katalog passt nun einmal nicht in eingewachsenes Dorf, auch wenn sie baurechtlich zulässig wäre."

Für die zunehmende Verdichtung selbst der Dörfer ist die im Hauserweg am südlichen Ortsrand geplante Bebauung exemplarisch. Das Grundstück mit dem einzelnen Vorgängerbau ist geteilt worden. Darauf sollen nun zwei neue Einfamilienhäuser gebaut werden. Ein bereits im November eingereichter Bauantrag sah für das eine ein Walmdach vor und wurde damals abgelehnt. Jetzt hatte der Antragsteller mit einem Satteldach und geringerer Dachneigung umgeplant und fand Zustimmung.

Die Gestaltung für das Nachbarhaus stieß aber auf heftige Kritik. Thomas Schurz (CSU) fand, das Haus mit asymmetrischen Dach passe nicht ins Dorf. "Ich kann nicht glauben, dass jemand so etwas nach Münsing bauen will", sagte er.

Mit der für ihn "unbefriedigenden Situation" hadert Bürgermeister Grasl. In diesem Fall existiere kein Bebauungsplan. Damit könne nur das Münsinger Bauamt zu einer ortsverträglichen Gestaltung motivieren. Werde die ignoriert, kämen solche ablehnenden Entscheidungen zustande. Das Landratsamt müsse zeitaufwendig prüfen, ob sich das gemeindliche Einvernehmen ersetzen lasse. Die Gemeinde müsse erneut entscheiden. Zwar könne die Kommune Rahmen-, Bebaungspläne oder Ortsgestaltungssatzungen erlassen. Doch das sei mühsam, kostenintensiv und langwierig. "Viele Teilbereiche zum Beispiel im Hauptort Münsing sind schon so dicht bebaut, dass der Wille einer Gestaltung einfach ein paar Jahrzehnte zu spät kommt."

Schlichte, einfache Grundriss- und Dachformen sowie ortstypische Elemente (Dachüberstände und Balkone) lassen sich aus Sicht von Grasl in die Gegenwart übertragen. "Es gibt Holzhäuser und herkömmlich gebaute Ziegelhäuser, die alle energetischen Standards erfüllen und trotzdem ins Ortsbild passen."Ein Walmdach passe eher nach Ammerland als nach Münsing, Degerndorf oder Holzhausen. Mit eigenwillig gestalteten Neubauten würden die Dörfer ihren Charakter ändern. Früher seien Sonderdachformen nur Schulhäusern und Pfarrbauten vorbehalten geblieben.

Für das nächste Jahr kündigt Grasl eine Ausstellung der österreichischen Initiative "Landluft" zur Baukultur in Münsing an. Damit möchte die Gemeinde zeigen, wie moderne und trotzdem dörfliche Architektur entstehen kann. "Die Nachbarn aus Österreich machen es uns vor", schreibt der Bürgermeister. Diskussionen und Vorträge sollen anschließen. Für das geplante Bürgerhaus wolle die Kommune mit einem Architektenwettbewerb und mit Hilfe der Städtebauförderung beispielhaft vorangehen.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2017
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