Mobilität:Auf steinigem Weg zurück ins Leben

Nach einem Schlaganfall, den er im Alter von 28 Jahren erlitten hat, ist Richard M. halbseitig gelähmt und kämpft darum, ein Stück Mobilität zurückzubekommen. Möglich wäre dies nur mit einem Elektro-Rollstuhl, den die Kasse aber nicht bezahlt

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Es war ein einziger Tag, an dem sich alles ändern sollte: Am 1. März 2011 trat Richard M. (Name geändert) seine neue Arbeitsstelle an. Der gelernte Kaufmann für Bürokommunikation hatte sich penibel darauf vorbereitet, er wollte schließlich einen guten Eindruck bei den neuen Chefs hinterlassen. Bis dahin war der junge Mann, der zu dem Zeitpunkt gerade erst 28 Jahre alt war, kerngesund und fit. Also schonte er sich auch nicht, als es an diesem ersten Arbeitstag so richtig stressig wurde. "Die neuen Computersysteme haben mich sehr belastet, ich musste mir alles aufschreiben und merken, für eine Bestellung etwa waren allein 40 Schritte notwendig", erinnert sich der heute 32-Jährige. Schon immer habe er ordentlich und genau gearbeitet, das aber war an diesem Tag offenbar etwas zu viel: Als er nach Feierabend auf dem Weg nach Hause mit dem Fahrrad unterwegs war, nur mit einer dünnen Lederjacke bekleidet, bemerkte er, wie sein linker Oberschenkel immer heißer und schmerzhafter wurde. "Es fühlte sich an wie ein Luftballon kurz vor dem Platzen", erinnert er sich. Als er abstieg, versagten ihm die Beine und der kräftige junge Mann fiel rückwärts gegen einen Holzzaun. Sein Rucksack verhakte sich dabei und schnürte ihm die Luft ab. "Die Autofahrer fuhren an mir vorbei und keiner hielt, vielleicht, weil sie annahmen, dass ein junger Mann, der da überm Zaun hing, bestimmt einfach nur zu viel getrunken hatte", vermutet er. Erst ein Fußgänger fragte, ob er helfen könne, befreite ihn vom Rucksack und rief die Ambulanz.

Der erste Verdacht der herbeigerufenen Notärzte: Schlaganfall. "Ich verstand das zunächst überhaupt nicht, ich dachte nur: Hä? Ich bin doch erst 28 Jahre alt", erinnert er sich. Die Untersuchungen bestätigten die Diagnose. Die örtliche Klinik verlegte ihn daraufhin nach Großhadern, wo der junge Mann zwei Wochen auf der Intensivstation verbrachte. "Das war einfach nur die Hölle", gesteht er. Denn aufgrund von Schluckstörungen blieb nur eine Magensonde zur Versorgung, die Lähmungen fesselten ihn ans Bett. "Die Meinung eines Arztes war damals, dass ich mein Leben lang wohl bettlägerig bleiben würde", weiß er noch. Doch Richard zeigt, dass er kämpfen kann . "Ich wollte mir einfach den Mut fürs Leben nicht nehmen lassen", sagt er.

Doch die Wege blieben steinig. Seine Krankenkasse lehnte zunächst die Reha ab, erst nach Interventionen kam er schließlich nach Bad Aibling. Und dort gelang das Wunder: Ein Therapeut schaffte es, dass der halbseitig gelähmte junge Mann es heute sogar für einige wenige Schritte aus dem Rollstuhl schafft. Es blieb zwar eine halbseitige Lähmung und eine Spastik. Doch Richard will zurück ins Leben, so gut es eben geht. Mit seinem Rollstuhl kann er sich allerdings nur rückwärts bewegen, denn durch die einseitige Lähmung ist das Geradeausfahren nicht möglich. Ein erster Rollstuhl konnte zwar auf Elektroantrieb umgerüstet werden, doch durch das erhöhte Gewicht von Richard ging dieses Gefährt kaputt. Die Krankenkasse weigert sich bis heute, die Kosten für einen geeigneten, richtigen Elektro-Rollstuhl zu übernehmen. "Aber schon mein erster E-Rolli war enorm hilfreich, denn es hat mir große Selbständigkeit verschafft", erzählt er. Mal wieder aus der Wohnung zu kommen, kleinere Spazierfahrten zu unternehmen oder auch selbst einkaufen zu können, das war möglich: "Ich hatte wieder richtig Spaß am Leben."

Inzwischen hat er sogar den Führerschein bestanden und eine medizinisch-psychologische Untersuchung erfolgreich absolviert. Richard wäre also sogar in der Lage, ein Auto, das behindertengerecht umgerüstet ist, zu fahren. "Das wäre natürlich ein Traum", sagt er. Aber er hat zumindest für sich schon einmal bewiesen, dass große Schritte auch gegen viele Widerstände machbar sind.

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