Mitten in Wolfratshausen:Pass auf und iss Kuchen!

In der Loisachstadt wollen sich manch Fiernaten mit ein paar flotten Sprüchen von der Masse abheben - und was das für Sprüche sind...

Kolumne von Claudia Koestler

Es ist schon so eine Sache mit der Werbung. So ganz ohne kann sich wahrscheinlich kaum einer mehr ein Leben vorstellen. Allerdings ist die Werbung keine Erfindung der Moderne. Im 30-jährigen Krieg etwa wollten Werber Menschen zum Dienst an der Waffe überreden, und damals konnte das Ergebnis die Angesprochenen schlimmstenfalls nicht Geld aus der Tasche locken, sondern das Leben kosten. Insofern tut man also gut daran, bei der Moderne zu bleiben. Leider ist Deutschland aber im internationalen Vergleich nicht gerade als die witzigste oder spritzigste Werbenation bekannt. Locken andere überwiegend mit heiteren, komödiantischen Mitteln und Clips für ihre Produkte, herrscht hierzulande strenge Nüchternheit vor. Klare, ernste Statements sollen Überlegenheit suggerieren, grafitgraue Produkte in grafitgrauen Landschaften mit erhabener Bedeutsamkeit aufladen.

Aber die große, graue Werbewelt mal beiseite, eine kleine Stadt im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen schickt sich nämlich an, Widerstand zu leisten. In Wolfratshausen, wo schon Graffiti in Steilkurven bunt ankündigen, wo man ist, lässt sich zunehmend etwas feststellen. Nämlich dass sich Ladenbesitzer mit ein paar flotten Sprüchen von der Masse abheben wollen und so um Kunden werben. Bei einer Bäckerei samt Café in der Wolfratshauser Innenstadt etwa war jüngst zunächst ein Strichmännchen mit tief heruntergezogenen Mundwinkeln auf einer Tafel angemalt, darunter stand "ohne Kaffee". Daneben die Figur mit hochgezogenen Mundwinkeln, ein bisschen über dem Tafelrand schwebend, stand "mit Kaffee". Die Steigerung folgte auf dem Fuß: Auf einem weiteren Schild wirbt das Café nun für seine Produkte mit folgendem Spruch: "Je mehr Du wiegst, desto schwerer ist es, Dich zu entführen. Pass auf Dich auf, iss Kuchen!" Touché, das ist doch mal ein Vorsatz, der sich bis ins kommende Jahr leicht halten ließe.

In der eigenen, privaten Ranking-Skala der besten lokalen Werbesprüche kommt er dennoch nicht an jene Phrase ran, die da vor einiger Zeit in die Scheibe einer Telefonzelle bei Icking geritzt war: "Hier nicht nackt ausziehen" - und darunter, in Klammern gesetzt: "Es sei denn, Sie sind ein Superheld und es handelt sich um einen Notfall." Ob der Notfall jemals eingetreten ist, ist nicht bekannt. Gegen die Gefahr einer Entführung muss nun aber in Icking wie in Wolfratshausen jeder selber anfuttern, ein Superheld wird jedenfalls nicht mehr einspringen: Die Telefonzelle ist nämlich inzwischen abgebaut.

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