Mitten in Wolfratshausen:Katastrophenfall Fest-Wochenende

Über den Aufruf der Bundesregierung, sich mit Vorräten für zwei Wochen einzudecken, gab es vor Kurzem viel Häme. Die wenigsten können nur ein Wochenende ohne Einkaufen überstehen, erst recht nicht im Advent

Von Barbara Briessmann

Was gab es im Frühjahr noch Häme für das neue Zivilschutzkonzept und für den dringenden Rat der Bundesregierung, die Bürger mögen doch bitte für den Katastrophenfall Vorräte anlegen! Als Empfehlung wurde für die Hamsterkäufe eine viel belächelte Liste herausgegeben, was in welchen Mengen in jedem Haushalt unbedingt vorhanden sein sollte, "um zwei Wochen ohne Einkaufen überstehen zu können". Zwei Wochen? Ohne Einkaufen?

Ein Wochenende, so müsste es heißen. Wie realitätsfremd Politiker sein können! Das wahre Leben zeigt, dass der Normalbürger Probleme hat, zwei Tage hintereinander zu überstehen, zumal im Advent, wo Einladungen und der Geschenkekauf die Bürger daran hindern, ein Lebensmittelgeschäft aufzusuchen. Deswegen wohl sind die Wolfratshauser am Freitag in Schlangen an den Ständen des Grünen Marktes gestanden.

Der wahre Katastrophenfall allerdings tritt erst in zwei Wochen ein. Dann naht nämlich Heiligabend, gefolgt von zwei Feiertagen. Das ist verdammt lang, und deswegen wird in den Tagen davor schon mächtig gehamstert. Wer der romantischen Idee anhängt, alles Notwendige am 24. Dezember besorgen zu können, der möge es versuchen, wird danach aber genauso gebeugt dastehen wie die Christbäume, die es wenige Stunden vorm Fest noch käuflich zu erwerben gibt.

Die Regale sind leer, genau wie auf alten Aufnahmen aus Ostblock-Märkten. Ein Baguette zu ergattern oder einen Salat - unmöglich. Die Zutaten fürs Festmahl sind aus den Kühltheken verschwunden: Fleisch für ein Fondue, Käse fürs Raclette, die Ente für den Braten. Nach Räucherlachs zu suchen, lohnt erst gar nicht.

Dass dies alles gar nicht auf der staatlichen Vorratsliste steht, macht nichts. Denn die Verfasser haben vermerkt, dass es sich lediglich um allgemeine Empfehlungen handle, die "gegebenenfalls an die individuellen Ernährungsbedürfnisse angepasst werden müssen".

Gegebenenfalls aber auch an den kollektiven Kaufrausch vorm Wochenende.

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