Mitten in Penzberg:Große Oper im Stadtrat

Das Vokalensemble fordert als "Gefangenenchor" singend im Stadtrat eine neue Musikschule. Was als Gag beginnt, endet mit Geschrei und knallenden Türen

Von Alexandra Vecchiato

So was hat es in Penzberg noch nie gegeben. Eine Gesangseinlage als Beitrag in der Bürgerfrageviertelstunde. Und dann nicht nur ein locker geträllertes Liedchen, nein, Giuseppe Verdis "Gefangenenchor" boten 16 Mitglieder des Vokalensembles dar. Wie die Hebräer in der Oper "Nabucco", die in Babylonien gefangen sind und das ferne Heimatland beweinen, riefen sie Gott, ähm, nein, Bürgermeisterin Elke Zehetner um Hilfe an. Ein größerer Probenraum, eigentlich gleich eine neue Musikschule ist der singenden Klagenden Begehr. Was nicht allen im Stadtrat gefiel. So endete, was als Gag begann, mit Geschrei und knallenden Türen.

"Teure Elke, nach dir geht das Sehnen. Wir bitten dich unter Tränen: Sieh doch unsre Not, wir ertragen es kaum. Schenk uns einen neuen Probenraum!" Schon als der Chor das anstimmte, hatte SPD-Fraktionssprecher Adrian Leinweber die Nase voll und verließ grollend ("dafür habe ich mich nicht in den Stadtrat wählen lassen") den Sitzungssaal. Die Sänger klagten indes unbeirrt weiter: "Auch ihr Götter des Stadtrats, erhöret uns. Die Kultur unsrer Stadt soll doch leben. Gebt uns Raum, zum Erblühn unsrer Sangeskunst. Wir ersticken vor Enge und Dunst. Einen Stuhl müssen Zweie sich teilen; die Luft hält am besten man an . . ." Schon seit Jahren gibt es den Wunsch nach neuen Räumen für die Musikschule sowie für Chor und Orchester. Oder wie Bärbel Scholz, Ensemblemitglied und frühere Grünen-Stadträtin, es auf den Punkt brachte: "Der Raum für die Proben ist zu laut, zu warm und zu stickig." Wann mit einem Kulturraum zu rechnen sei, fragte sie. Ende erster Akt.

Vorhang auf für Akt zwei: Bürgermeisterin Elke Zehetner verwies beeindruckt vom Gesang und zugleich nüchtern in der Sache auf die Stadthalle, die nach ihrer Sanierung Räume zuhauf böte. Zudem seien 54 Musikerstühle bestellt - was nicht unbedingt viel ist, hat doch der Chor allein 80 Mitglieder.

Dann folgte Akt drei: Ludwig Schmuck (CSU) polterte los, dass die Musikschul-Verantwortlichen längst neue Räume hätten, wenn sie nicht den Stadtrat mit überzogenen Wünschen wie einen Orchestergraben getriezt hätten. "Ihr seid selber schuld", brüllte er. Und: "Er ist schuld." Der Politiker deutete mit Fingern auf den künstlerischen Leiter Günther Pfannkuch. Der zischte ein "So eine Unverschämtheit" und stürmte aus dem Saal. Und die Moral von der Geschichte: Die Hebräer in der Oper kriegen den bösen König Nebukadnezar klein. Allerdings erst im vierten Akt.

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