Mitten in Königsdorf:Gratisflohmarkt auf der Straße

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Wer nicht auf den Wertstoffhof fahren will, stellt nun in Königsdorf seine überflüssigen Sachen auf die Straße und schreibt drauf: Zu verschenken

Kolumne von Claudia Koestler

Die Kollegen, die jeden Tag aus der Großstadt einpendeln, wischten die Beobachtung flugs als sattsam bekannte Praxis vom Tisch. Wer wollte es ihnen verdenken, denn man kennt es ja selbst aus München, Köln, London oder sonstwo her: Da stellt man das abgewetzte Sofa, die windschiefe Stehlampe und den zehn Jahre lang täglich benutzten Wasserkocher einfach an den Straßenrand, befestigt ein "Zu verschenken"-Schild dran und harrt fröhlich der Dinge. Fröhlich deshalb, weil man den umständlichen Weg zum Wertstoffhof gespart hat. Und dann hat man ja den Mitmenschen, die diese Dinge ganz bestimmt noch total gut gebrauchen können, auch einen großen Gefallen getan. Und so harrte und harrte man - denn die Sachen waren nicht immer schnell weg, wie von überdimensionierten, fleißigen Ameisen weggetragen, sondern wurden zum Inventar der Straße, bis die Müllabfuhr sich ihrer erbarmte.

Das System funktioniert auch eine Nummer kleiner ähnlich, nämlich als Dauergratisflohmarkt in Hausfluren, von unbekannten Nachbarn und ähnlich denkenden Mitmenschen regelmäßig aufgefüllt: Von der leicht zerkratzten Bratpfanne über Spielbretter, Snowboards bis hin zu Vogelkäfigen (leer) und Spülmittelflaschen (voll) war irgendwie immer alles dabei. Soweit, so bekannt.

Bevor nun jemand gähnt: Der Trend hat endlich auch das Land erreicht! Er erobert die Dörfer, und: Was lange währt, wird manchmal deshalb umso liebevoller. Jüngst nämlich fand sich mitten in Königsdorf auch ein solcher Gratisflohmarkt am Straßenrand, der erste seiner Art. Doch dort wurde nicht einfach irgend etwas am Straßenrand verteilt. Die Zu-verschenken-Artikel wurden liebevoll in einem hübschen Flechtkorb angerichtet, geschmückt mit Blumen und einer freundlichen Nachricht. Dass der Gratisflohmarkt nun auch in Königsdorf Fuß fasst, könnte vielleicht mit den Änderungen in der Müllentsorgung zusammenhängen. Von kommendem Jahr an nämlich wird der Sperrmüll nicht mehr kostenfrei abgeholt. Vielleicht also war es ein Testlauf, was man auf andere Art loswerden könnte.

Und siehe da: Die "Die hard"-DVD, die leeren Einmachgläser und die Kleiderbügel gingen innerhalb eines Tages weg wie geschnitten Brot. Da können sich die Metropolbewohner eben doch noch ein Scheibchen abschneiden.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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