Mitten in der Region:Plötzlich alle so nah

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Kaum purzeln die Inzidenzen, rammt einem schon der Erste an der Supermarktkasse wieder seinen Einkaufswagen in die Hacken

Von Jessica Schober

Gesellschaft ist etwas Wunderbares. Wenn nur die anderen Leute nicht wären. In den vergangenen eineinhalb Jahren war man ja so sehr mit dem Vermissen der Normalität beschäftigt, dass man gar nicht dazu kam, die Vorzüge der Zwangsisolation zu genießen. Doch nun lockert und lockert und lockert es um einen herum und plötzlich übermannt die Eremitin ein seltsames Gefühl: Überall sind plötzlich wieder Menschen. Im Biergarten, im Café, am See - Einsamkeit ade.

Kaum purzeln die Inzidenzen, rammt einem schon der Erste an der Supermarktkasse wieder seinen Einkaufswagen in die Hacken. Kaum sind die Schwiegerleute geimpft, steht die halbe Verwandtschaft wieder vor der Tür und will Honig haben oder die Kettensäge ausleihen. Und jetzt soll man sich auch noch mit zehn Leuten treffen dürfen. Auf einmal! Das wäre ja gelacht, wenn plötzlich sogar der zehnköpfige Buchklub wieder daheim stattfinden könnte.

Das ist, gelinde gesagt, ein bisschen viel, ein bisschen schnell. Laut Markus Söder erlauben die Zahlen jetzt mehr Lebensfreude, manch anderem verursachen die Lockerungen aber erst mal einen umgekehrten Kulturschock.

Doch keine Sorge, es wird schon schnell genug wieder schwierig werden im sozialen Miteinander. Nun kommt ja auch der gute alte Freizeitstress zurück. Die Freundin ist eben schon am Flughafen in Barcelona gelandet, der Kumpel heiratet jetzt doch groß, juhu. Man denkt erschüttert: Hoffentlich muss man jetzt nicht auch wieder Hände schütteln. All jenen, die heimlich ganz gern daheim im Garten hockten, bleibt nur noch die Vorfreude auf ein anderes seltsames Glücksgefühl: Endlich bald mal wieder eine Verabredung absagen zu können.

© SZ vom 19.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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