Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Digitale Spürhunde

Manchmal sagt ein Bild eben doch mehr...

Glosse von PATRIZIA STEIPE

Die ausgedehnte Gassirunde durch das Holz ist eine Wohltat. Es duftet nach Fichtennadeln und feuchter Erde, ein Eichhörnchen springt durch die Äste - und im Dunkel des Waldes raschelt es geheimnisvoll. Auch der Hund ist begeistert, schnuppert mal links, dann wieder rechts. Es ist eine beliebte Route für Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern, dementsprechend viel gibt es für diese zu schnüffeln.

Zwischen den welken Blättern leuchtet plötzlich etwas Buntes hervor. Es ist ein Smartphone, das wohl jemandem aus der Tasche gefallen ist - ausgerechnet am Freitagabend, da ist das Fundbüro im Rathaus längst geschlossen. Was tun? Man kann sich lebhaft vorstellen, wie schlimm ein Wochenende in der Ungewissheit sein würde, was mit dem verlorenen Handy wohl passiert ist. Man dreht und wendet das Gerät - doch es ist keine Adresse zu sehen. Der Akku ist aber noch nicht leer. Es gelingt das Gerät anzuschalten und prompt erscheint auf dem Bildschirm das Foto von zwei braunen Hunden. Zu gerne würde man jetzt eine Nummer anrufen, aber ohne Pin kommt man nicht an die Kontakte.

Jetzt könnte der Haushund seine Fähigkeiten als Suchhund beweisen. Jahrelang hat man schließlich Unsummen für den Kurs ausgegeben. Doch das Tier ist viel mehr an den Fährten seiner Artgenossen interessiert und mag nicht arbeiten. Man blickt suchend in allen Richtungen und tatsächlich - hinten am Waldrand läuft eine Frau mit zwei braunen Hunden. Nichts wie hin. Interessiert begutachtet sie das Foto. Zwei braune Hunde hat sie zwar, aber "hier, sehen Sie, der eine auf dem Bild hat Schlappohren, das sind nicht meine". Weiter geht es zur nächsten Hundebesitzerin. Nach einem Blick auf das Display schüttelt sie bedauernd den Kopf. Die Tiere kennt sie leider nicht. Beim nächsten Versuch trifft man auf ein Pärchen, das aber nur einen einzelnen braunen Hund dabei hat. Herrchen und Frauchen schauen sich das Handyfoto ganz genau an. "Das sind doch die Hunde der Nachbarin!", ruft die Frau. Noch ein prüfender Blick: "Das Geschirr, die Ohren - ja das sind sie." So ein Zufall! Das Handy wird überreicht und von den beiden später an die überglückliche Besitzerin übergeben. Daheim wird das eigene Handy angepasst. Statt der idyllischen Landschaft prangt jetzt der wuschelige Hund als Hintergrund. Man weiß ja nie.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2022
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