Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Der totale Wlansinn

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Manchmal entdeckt man ganz ungewollt die schmutzigen Seiten der Menschheit...

Glosse Von Claudia Koestler

Es ist längst das Wort der Stunde, ach was, des Jahres, vielleicht sogar des Jahrzehnts: Digitalisierung. Was jedoch nicht bedeuten muss, dass die schon flächendeckend umgesetzt ist und das, was von der Politik und der Wirtschaft vom Arbeitnehmer gerne verlangt wird, nämlich das mobile Arbeiten, auch tatsächlich funktioniert. Im Gegenteil, wie ein Feldversuch jüngst wieder einmal eindrucksvoll bewiesen hat. Ein Feldversuch, der nicht nur weiße Flecken auf der Landkarte des mobilen Arbeitens, sondern obendrein auch ganz nebenbei dunkle, schmutzige Flecken in den Köpfen so mancher Landkreisbewohner aufgedeckt hat.

Was war passiert? Man war unterwegs zwischen Isar und Loisach - beruflich, weshalb auch der Laptop mit von der Partie war. Mit dem hätten man sich gerne zwischendurch in ein öffentliches Wlan-Netz eingeloggt, um so seiner Arbeit nachzugehen. Allein, es fehlte an einem solch öffentlichen Wlan-Netz. Nun gut, oder vielmehr: schlecht. Ist also wirklich noch nicht so weit mit dem mobilen Arbeiten hierzulande.

Von wegen aber tote Hose im Oberland: Aus Ermangelung öffentlicher Wlan-Netze zeigte das Gerät alternativ jene an, die es am Wegesrand sonst so aufpickte - und zwar die von Privatpersonen und Haushalten, die in der Nähe waren. Und was sich da anbot, trieb einem die Schamesröte ins Gesicht: "Get it here", "Sexycells" und "fckn2.0" waren da noch die harmlosesten Namen, die Router-und Smartphone-Besitzer ihren Zugängen gegeben haben. Solch verlotterte Benennungen der privaten Wlan-Netze kann, oder besser gesagt: muss, dann jeder lesen, der unterwegs nach einem Internetzugang sucht. Da will man nicht mehr wissen, wie wohl die entsprechenden Passwörter lauten.

Schon erstaunlich, dass sich einige Menschen die Mühe machen, die voreingestellten Namen ihrer Wlan-Zugänge extra umzubenennen - und dann versagt alle kreative Energie. Vielleicht sollte jemand ein Spiel daraus machen, ähnlich wie dieses Pokémon Go vor einigen Jahren, bei dem man mit dem Smartphone nicht nur virtuelle Monster im realen Raum fangen muss, sondern die kreativsten Router-Namen findet. Aus dem Bekanntenkreis hat jemand schon mal den Zugang eines offensichtlichen Sci-fi-Fans entdeckt: "Obi Wlan Kenobi" hieß der. Das gäbe natürlich die volle Punktzahl. In der Not täte es an Isar und Loisach aber auch einfach mal ein "Wlansinnsnetz".

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Quelle:
SZ vom 30.11.2021
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