Mitten in Bad Tölz:Brückenbau aufs Abstellgleis

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Die Stadt Bad Tölz hat den Neubau der Bahnbrücke an der Gaißacher Straße immer noch auf ihrer Investitionsliste. Bei den unüberblickbaren Zuständigkeiten auf Bahngrund muss man zuerst aber mal klären, wem das Geländer, die Schwellen und der Hügel mit dem Huflattich gehören

Kolumne Von Klaus Schieder

Früher war das Zugfahren irgendwie simpler. Gab es eine vierminütige Verspätung oder roch es im Gang vor dem Abteil wie in der Bahnhofstoilette in Baku zu Sowjet-Zeiten, dann rief man den Schaffner herbei und beschwerte sich, der Mann grantelte zurück, alles war in Ordnung. Seit der ganze Zugverkehr privatisiert ist, weiß der Fahrgast heutzutage gar nicht mehr so recht, ob der Ticket-Kontrolleur überhaupt noch bei der Bahn angestellt ist oder vielleicht vom Subsubunternehmen irgendeines Subunternehmens seinen kärglichen Lohn bekommt. Jedenfalls sind die Zuständigkeiten mittlerweile so übersichtlich wie das Schienengeflecht vor einem Großstadtbahnhof.

Das gilt auch für eine eher kleine Station wie Bad Tölz: Auf den Gleisen, die noch immer die Deutsche Bahn besitzt, lässt die Bayerische Oberlandbahn (BOB) dort gelegentlich ihre Züge durchfahren, während das Bahnhofsgebäude einem Tölzer Unternehmer gehört, der ein Faible für den spröden Charme der Sechzigerjahre zu haben scheint und das Gebäude dementsprechend verfallen lässt, was die BOB wiederum dazu zwang, einen Kundencenter-Container draußen neben dem Parkplatz aufzustellen, den dann die Stadt bezahlt hat. Alles klar soweit? Na gut, macht ja nichts.

Aber vor diesem Hintergrund mutet es schon ein wenig verträumt an, dass die Stadt noch immer den Neubau der Bahnbrücke an der Gaißacher Straße auf ihrer Investitionsliste stehen hat. 200 000 Euro soll es kosten, damit dieser Übergang für Autos einspurig zu befahren ist. Dazu müssten sie im Rathaus ja zunächst einmal klären, wem die Schwellen, wem die Schienen, wem das Brückengeländer, wem der Hügel mit dem Huflattich neben dem Gleisbett gehört. Das kann dauern. Vermutlich steht deshalb im Projekte-Katalog auch der Vermerk "Umsetzung erst nach 2022 realistisch". Danach kann aber alles schnell gehen, wie Stadtrat Ludwig Janker (CSU) im Finanzausschuss hervorhob: So sporadisch, wie die BOB fahre, könne man auf der Strecke doch ungestört arbeiten.

© SZ vom 22.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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