Mitten in Bad Tölz:Böser Blick und ab in den Urlaub

Einst haben graubraune vergilbte Fotokabinen mit langsamer Technik die Passbilder versaut. Heute machen das die biometrischen Vorgaben

Kolumne von Klaus Schieder

Einem vergilbten Kalauer zufolge sollte jemand in Urlaub gehen, wenn er so aussieht wie auf seinem Passfoto. Dieser Rat stammt aus einer Zeit, als vorwiegend in Bahnhöfen noch jene Passfotokabinen standen, die mit graubraunen, nach Zigaretten müffelnden Vorhängen verhängt waren und Schwarzweißbilder ausspuckten. Sie funktionierten so: Der Kunde warf eine Münze in den Schlitz, setzte sich aufrecht hin, lächelte einen leeren Bildschirm an und wartete. Lächelte und wartete. Wartete und lächelte. Wartete ... lächelte ... Weil gar nichts passierte, bückte er sich nach vorne und drückte den Geldrückgabeknopf. Aber auch das war vergeblich. Erst als er sich fluchend aufrichtete, blitzte es mehrmals. Auf den sogenannten Fotografien, die dann aus einem Schlitz ruckelten, fehlten letzten Endes nur noch eine vielstellige Nummer und der Höhenmesser hinterm Kopf.

Das ist lange vorbei. Im digitalen Zeitalter ist die Bildqualität eine ganz andere, niemand sieht mehr aus wie ein überbelichteter Serienkiller. Wer auf seinem Passfoto wirken möchte wie jemand, der aus dem Urlaub kommt, geht zum Fotografen seines Herzens und lässt sich möglichst vorteilhaft ablichten. Das war jedenfalls zu Beginn dieser Ära noch so: Setzen Sie sich bitte aufrecht, Kopf nach links, etwas höher noch, die linke Schulter nach vorne, die rechte mehr zurück, Kopf höher und etwas nach rechts, linke Schulter nach vorn, hab' ich doch gesagt, LÄCHELN - fertig war das Filmstarfoto. Aber dann kam leider die Biometrie. Also bitte: Kopf nach vorn, böser Blick, Mundwinkel nach unten, Nummer davor, Höhenmesser dahinter, basta.

Im Tölzer Rathaus kann man das jetzt an einem neuen Terminal selber erledigen. Kein müffelnder Bahnhofsautomat mehr, kein Schmerzen verursachender Fotograf. Das ist eine formidable Idee, die nur leider nicht funktionieren wird. Denn wer das stuhlartige Gerät nutzt, wird sich nicht bloß einmal fotografieren lassen, sondern nochmals und nochmals und nochmals, bis endlich Biometrie und Selbstbild halbwegs übereinstimmen. Das kann dauern. Und wenn das Ergebnis nach all den Versuchen doch nicht passt, wird sicher einer dabei sein, der das Terminal mit böser Miene als Stuhl missbraucht. Für eine Sitzblockade, gewissermaßen.

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