Mitten im Landkreis:Lusterfüllter Todestrieb

Wenn der Sinn des Lebens ist, erfüllt zu sterben, erfüllt ihn die auf dem Unteram erschlagene Mücke perfekt. Ihr Ruf ist allerdings mies

Von Udo Watter

Auf dem Höhepunkt abtreten, das ist wahre Lebenskunst. Eine Mücke, die ihren Stechrüssel in die Haut des menschlichen Wirtes tunkt und dann in den letzten Zügen des Saug-Aktes erschlagen wird, gibt ein eindrucksvolles Bild dieses Gipfels ab: ein matschiger Fleck auf dem Unterarm aus zartem Zweiflügler-Schwarz und dem üppigen Rot gerade gesaugten Blutes. Man kann nicht behaupten, die Mücke suche bewusst diesen lusterfüllten Exitus, wie etwa der Franzose den Orgasmus ("La petite mort" nennen sie ihn im Nachbarland - "der kleine Tod"). Doch das Risiko, das sie mit der Blutmahlzeit eingeht, hätte - wenn Mücken ein Bewusstsein hätten - aus psychologischer Sicht durchaus etwas von Todestrieb.

Fernab davon, erschlagene Mücken dafür zu bewundern, dass sie den Sinn des Lebens - erfüllt zu sterben - perfekt verwirklichen, genießen die Insekten aber einen beschissenen Ruf: Blutsauger, Plagegeister, Krankheitsüberträger, und dann noch dieses Summen. Anders als am Ammersee, wo gefräßige Mückenschwärme jüngst dafür sorgten, dass sogar ein Wirtshaus kurzfristig schloss und sich eine Initiative mit dem Titel "Mückenplage - Nein danke!" gründete, scheint der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen von den Schwärmen biblischen Ausmaßes weitgehend gefeit. Klar treiben sich die Viecher abends auch am Bibisee herum. Aber so weit wie im Fünfseenland, wo von "Zerstörung des Lebensraums des Menschen durch Mückenangriffe" die Rede ist, dürfte es hier nicht kommen. Wer schon dort unterwegs war, wo Moskitos Malaria und Dengue übertragen, könnte das Ganze eh als Erste-Welt-Übertreibung wahrnehmen, wo man aus Mückenschwärmen einen Elefanten macht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: