Mitten im Herbst:Zimtsterne frisch genießen

Im September schmeckt das Weihnachtsgebäck am besten

Von Wolfgang Schäl

Es sind dies allseits Tage des Neubeginns. Der Sommerurlaub ist schon wieder Familiengeschichte, die Kinder haben ihre Schultüten voll Stolz und Erwartung in die Klassenzimmer getragen, die ersten Blätter rieseln, die Tage werden wieder kürzer und, ja, auch die nahezu viermonatige Vorweihnachtszeit ist längst angebrochen, die Lebkuchen- und Spekulatiuslawine hat die Supermärkte erreicht. Wir haben in den vergangenen Jahren an dieser Stelle immer wieder mal gegen diese Unsitte gemosert, und das, soviel sei aus heutiger Sicht zugegeben, aus rein ideologischen Gründen, wegen einer Art allgemeiner Konsumfeindlichkeit, die man sich irgendwann in den späten sechziger Jahren angeeignet hatte. War halt so damals. Mit der Zeit wurde man dann doch etwas aufgeschlossener gegenüber den eigenen Bedürfnissen, und so ist denn der Tag gekommen, an dem wir uns outen müssen. Wir bekennen hiermit beschämt, kleinlaut und schuldbewusst, dass wir heuer, ungeachtet aller vorangegangenen Meckerei, noch bei hochsommerlichen Temperaturen mit Lust und Appetit die erste Packung Schokoladenlebkuchen verzehrt, ja verschlungen haben. Und da wir uns nun schon in Sack und Asche werfen: Es war nicht das erste Mal so! Nach diesem Geständnis fühlen wir uns erleichtert, ja ermutigt, für diese gewiss beklagenswerte Scheinheiligkeit wenigstens einen sachlichen Grund ins Feld zu führen: Im September sind die Lebkuchen und Zimtsterne halt einfach noch frisch und lecker, während man sich am Heiligen Abend an der versteinerten Lagerware die Zähne ausbeißt. Erst im Lauf vieler Jahre haben wir nachvollziehen können, was diese antizyklische Angebotspolitik im Lebensmittelhandel für Vorteile für uns alle bietet. Und so freuen wir uns schon jetzt auf die Heerscharen von Stanniol-Osterhasen, die nach dem zweiten Weihnachtsfeiertag aus den Regalen lächeln.

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