Süddeutsche Zeitung

Mitten im Alltag:Eiskalte Helden

Man sollte immer versuchen, das Positive in den Vordergrund zu stellen...

Glosse von Astrid Samhuber

Zugegeben: Der Begriff Schulweghelfer klingt nicht gerade sonderlich attraktiv oder gar sexy. Vielleicht ein Grund dafür, dass sich Nachwuchs nicht ganz so einfach rekrutieren lässt. Eventuell liegt es aber auch daran, dass man zu Zeiten, zu denen andere sich noch einmal im Bett umdrehen oder bereits im warmen Auto auf dem Weg ins Büro sind, an zugigen Ecken steht und sich die kalte Morgenluft um die Ohren wehen lässt. Da wird die halbe Stunde, die man in der Regel einmal monatlich im Dienst ist, zur gefühlten Unendlichkeit. Noch besser wird es, wenn es in Strömen regnet und man gar nichts zu tun hat, weil plötzlich alle Kinder spontan mit dem Auto zur Schule kutschiert werden.

Doch man sollte versuchen, das Positive in den Vordergrund zu stellen. Zu allererst einmal: Man ist an der frischen Luft. Gut, dieses Argument zählt nicht mehr so viel, falls der Einsatzort an einem Hauptverkehrsknotenpunkt liegt. Das ist am Land aber eigentlich weniger der Fall. Des Weiteren ist es mit der Schulweghelfer-Uniform wie mit jeder Uniform: Sie verleiht eine gewisse Autorität. Mit Warnweste und Kelle - bestenfalls sogar eine, die blinken kann - fühlt man sich sofort ein bisschen wichtig, wenn nicht sogar mächtig. Oder haben Sie schon einmal einfach so mit bloßer Hand ein Auto gestoppt?!? Sehen Sie, der Schulweghelfer kann das! Zudem wird man stets freundlich gegrüßt - vom Bürgermeister, vom Schulbusfahrer und wer sonst noch so alles an einem vorbeikommt. Nicht zu vergessen die Gelegenheit, endlich mal wieder seine Skiklamotten auszuführen. Bei den Temperaturen gerade sind die ideal für den Einsatz da draußen. Ansonsten verkümmern sie eh nur im Schrank momentan.

Und wem dieses Plädoyer für den Einsatz als Schulweghelfer noch nicht reicht, dem sei gesagt: Man macht es tatsächlich gern für die Kinder. Damit sie sicher über die Straße gelangen und sich ihre Eltern keine Sorgen um den Schulweg machen müssen. Ja, man ist Schulweghelfer, weil man damit eine gute Sache tut. Das Karma wird es einem hoffentlich danken. Nur am Begriff muss noch gearbeitet werden. Wie wäre es mit Asphalt-Cowboy? Oder Bordsteinschwalbe? Na ja, ist dann vielleicht auch wieder zuviel des Guten. Und jetzt bitte keine Bilder im Kopf, wenn Sie den nächsten Schulweghelfer am Straßenrand stehen sehen.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2022
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