Mitten auf der Straße:Stress in der Idylle

Wer den Wecker frühmorgens so einstellt, dass möglichst wenig Schlafenszeit am Morgen verloren geht, dem gerät dafür schnell mal der Puls ins Rasen. Auch und gerade auf dem Land

Von Julia Sturm

Wenn sich der Arbeitweg ändert - raus aus der Münchner Innenstadt, weg vom öffentlichen Nahverkehr, hin zu einer Überlandfahrt mit dem Auto von Unterhaching nach Wolfratshausen - erwartet man sich eigentlich Positives. Von Tür zu Tür im Auto, ohne Zugausfälle und Verspätungen. Das Navi bewertet die Strecke als verkehrsberuhigt und in 40 Minuten zu fahren.

Als Autofahrer muss man das Navi als realitätsfern bewerten. Obwohl das Attribut "verkehrsberuhigt" bei genauerem Überlegen die Situation gar nicht schlecht beschreibt. Beruhigt ist der Verkehr nämlich spätestens dann geworden, wenn wieder einmal direkt nach der Ortsausfahrt Sauerlach eines der zahlreichen landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen vor dem eigenen Fahrzeug auftaucht. Mit ländlicher Gemächlichkeit ruckelt der Traktor nun vor einem über die Landstraße, das Schild auf seiner Rückseite - Geschwindigkeitsbegrenzung 40 Stundenkilometer - ruckelt gemütlich mit. Ein Traktor mit Heu beladen zwischen grünen Wiesen mit Kühen, im Hintergrund die Alpen vor weißblauem Himmel. Gut fotografiert gäbe es ein wunderbares Postkartenmotiv ab - idyllisch, stressfrei, sieht eben nach Land aus.

Für jemanden, der seinen Wecker so einstellt, dass möglichst wenig wichtige Schlafenszeit am Morgen verloren geht, beginnt nun allerdings der pure Stress. Durch leichte Ausscheren nach links versucht man eine Möglichkeit zum Überholen abzupassen. Doch die Straße ist zu kurvig, der Gegenverkehr zu schnell. So bleibt einem nichts anderes übrig, als sich hinter dem Traktor einzureihen und zu hoffen, er werde bald abbiegen. Nach zehn Minuten Hoffen bei eigentlich beschaulicher Überlandfahrt und stetig steigender Nervosität wird die Bitte endlich erhört. Der Landwirt verlässt die Bundesstraße und fährt auf einen Feldweg ab. Man wittert eine Chance - vielleicht kann man den neuen Arbeitsplatz doch pünktlich erreichen. Man tritt aufs Gaspedal. Bis zur nächsten Kurve. Dort lauert der nächste Traktor. Der gute Vorsatz, den Wecker auf eine frühere Uhrzeit zu stellen, hält nach der verspäteten Ankunft einige Zeit vor. Nämlich genau bis abends.

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