Mitten am See:Die Geister der Vergangenheit

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Ein ehemaliges Künstlerdomizil ist Moder und Verfall ausgesetzt. Zum Tag des offenen Denkmals sollten die Eigentümer über einen Kursus in Gebäudepflege nachdenken...

Kolumne von Benjamin Engel

Mag das Westufer die besseren Bahnverbindungen haben, bleibt doch das Ostufer des Starnberger Sees die Goldküste. Dort taucht die Sonne die Landschaft in warme Farben, während drüben schon lange dunkler Schatten liegt. Doch auch am Ostufer kann das lebenswichtige Himmelsgestirn nicht Moder und Verfall vertreiben. An der einstigen Ammerlander Villa des Künstlers Gabriel von Max (1840-1915) ist nur noch das Badegelände gepflegt. Das einst weißhelle Haus haben die jetzigen Eigentümer vernachlässigt. Der Holzbrüstung des Westbalkons haben die Wetterverhältnisse so lange zugesetzt, bis sie zusammenkrachte. Fensterscheiben sind stumpf geworden. Auf dem Dach wuchert Moos, aus Ritzen im Vorbau dringt Gras. So gleicht das einstige Künstlerdomizil mehr einem Geisterhaus.

Damit ist die Sphäre des Jenseitigen erreicht. Für Geisterbeschwörungen wusste sich auch schon der Künstler Gabriel von Max zu interessieren. Dessen Freund Albert von Schrenck-Notzing wohnte direkt nebenan. Der vor 90 Jahren gestorbene Mediziner galt als einer der Pioniere der Psychotherapie. Obendrein widmete er sich der Parapsychologie und dem Spiritismus. Danach war es möglich, zu einer Geisterwelt Kontakt aufzunehmen. Auch Gabriel von Max nahm an den Experimenten von Schrenck-Notzing teil. Mit ihnen verursachte der Mediziner so viel Furore, dass er zur Zeit der Weimarer Republik als "Geisterbaron" bekannt war.

Ob die heutigen Eigentümer der Villa Max auch dem Okkulten anhängen, ist unbekannt. Zum Gruseln ist es aber, wie sie mit dem Künstlerhaus an der Seestraße in Ammerland umgehen. Zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 8. September, sollten die Eigentümer über einen Kursus in Gebäudepflege nachdenken. Das Gespür für die Schöpfungen der Architektur müsste dringend aufgefrischt werden. Oder die Eigentümer lassen endlich die Geister der Vergangenheit hinter sich und verkaufen an Kunstsinnigere.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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