Mitgliederversammlung:"Alarmierende Zahlen"

Baugenossenschaft Wolfratshausen stellt immer schärferen Wohnungsmangel fest. Vorstand wünscht sich von der Stadt bessere Kooperation

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Die Anzahl der Bürger, die händeringend nach einer bezahlbaren Bleibe suchen, wächst stetig. Hatte die Wolfratshauser Baugenossenschaft (BGW) vor Jahresfrist noch 300 Vormerkungen auf der Liste, so sind es jetzt bereits deren 344, eine Zunahme von 15 Prozent, wie Vorstandsmitglied Britta Wurm in der jüngsten Mitgliederversammlung im Sparkassensaal vorrechnete.

Von den gemeldeten Wohnungssuchenden stammten 270 aus Wolfratshausen und Geretsried, eine Zahl, die Wurm zu denken gab: "Dies ist kein Problem, was uns durch die Stadt München aufgedrückt wird, wie es möglicherweise immer noch einige Wolfratshauser Stadträte sehen, es ist unser eigenes Problem, welches wir lösen müssen."

Den Wolfratshauser Trend sieht Wurm in den folgenden Jahren aber auch landkreisweit: Bis zum Jahr 2035 sei mit einem Bevölkerungszuwachs von zehn Prozent zu rechnen, was bedeute, dass dann 12 000 Menschen mehr innerhalb der Kreisgrenzen leben.

Die angespannte Lage auf dem Mietwohnungsmarkt führt Wurm zufolge zunehmend zu einem Fachkräftemangel und damit zu einer Schwächung der regionalen Wirtschaft insgesamt. Wurm bezieht sich mit ihrer Aussage auf einen Bericht der Industrie- und Handelskammer (IHK), die empfiehlt, die Kommunen stärker für ihre planungsrechtlichen Möglichkeiten zu sensibilisieren und mehr verdichtetes und vor allem höheres Bauen zu ermöglichen. Das Papier der IHK empfiehlt Wurm den Wolfratshauser Stadträten wärmstens zur Lektüre.

Mitgliederversammlung: Vorstandsmitglied Britta Wurm.

Vorstandsmitglied Britta Wurm.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In diesem Kontext äußerte sie sich zwar lobend über den geförderten städtischen Wohnungsbau auf der Waldramer Coop-Wiese, allerdings habe man "verwundert zur Kenntnis" genommen, wie weit sich die Stadt auf die Kritik der Waldramer Anwohner einlässt, die sich gegen ein Anwachsen des Verkehrs durch das Bauvorhaben zur Wehr setzen. "Wir würden uns stattdessen wünschen", so Wurm, "dass eine ähnliche partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der Baugenossenschaft möglich wäre, wie es die Nachbarstadt Geretsried mit ihrer Baugenossenschaft vormacht." Aber auch von Anwohnern, die von neuen Baumaßnahmen betroffen sind, wünscht sie sich angesichts der dringenden Probleme "mehr Toleranz und Gesprächsbereitschaft".

Angesichts der "alarmierenden Zahlen" auf dem Wohnungsmarkt forderte auch Vorstandsmitglied Winfried Borcherdt, sich von Idealvorstellungen zu verabschieden, schließlich sei das Wohnen ein Grundrecht für alle. In diesem Sinne sollten Kommunalpolitiker auf ihre Mandatsträger in den Parlamenten einwirken. Zu den notwendigen Veränderungen auf Landes- und Bundesebene zählte Borcherdt "eine abgebremste Energiesparverordnung", denn neben dem fehlenden Bauland und den langwierigen Genehmigungsverfahren seien die extrem hohen Baukosten ein großes Hemmnis bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Miete zwischen 2,55 und 9,90 Euro

Die Baugenossenschaft verfügt aktuell über 471 Wohnungen in 58 Häusern, von denen 156 der Mietpreisbindung unterliegen. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis betrug im vergangenen Jahr 6,72 Euro, wobei sich die Spanne von 2,55 bis zu 9,90 Euro pro Quadratmeter erstreckte. Die Mitglieder der Baugenossenschaft erhalten für das abgelaufene Jahr vier Prozent Dividende, die Mieteinnahmen haben sich um 76 000 auf 3,332 Millionen Euro erhöht. Die Zahl der Mitglieder ist von 604 auf 635 gestiegen, der gesamte Vermögenswert der BGW, also der Wert aller Anlagen, Häuser und Grundstücke, beläuft sich auf 31,8 Millionen Euro. Dies entspricht einem Anstieg um 2,7 Millionen Euro, der durch den Bau der Häuser am Poignring bedingt ist. Zwei Aufsichtsratsmitglieder, die turnusmäßig ausgeschieden sind, wurden einstimmig wiedergewählt. Dies sind Birgit Barath und Michael Schweiger. wsg

Mit Blick auf Wolfratshausen führte Borcherdt einen weiteren "Hemmschuh"an: "Dass sich die Stadträte nicht erweichen lassen, den Stellplatzschlüssel beim Bau einkommensgeförderter Wohnungen zu reduzieren".

Enttäuscht zeigte sich Vorstandsmitglied Josef Wehbe über das Verhalten von Stadt und Kreisbehörde, die beide die ursprünglich geplante Bebauung an der Blombergstraße als zu massiv abgelehnt hatten - statt 65 Wohnungen wie gewünscht entstehen dort jetzt nur noch 60 Unterkünfte. "Mit der Ablehnung unseres Antrags bekommen wir weniger Wohnfläche und müssen mehr Tiefgaragenplätze bauen. Das ist für die Baugenossenschaft unwirtschaftlich und torpediert unsere Pläne, soviel wie möglich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", kritisierte Wehbe. Die Häuser an der Blombergstraße 2 und 4, die ursprünglich abgerissen werden sollten, werden nun von Mitte 2018 an saniert, Abbruch und Neubau der Anwesen 6 und 8 stehen frühestens von 2019 an auf dem Plan. Die Bewohner sollen rechtzeitig über den Ablauf informiert werden.

Neben diesem grundsätzlichen Problem hatte es die BGW noch mit allerlei Widrigkeiten im Detail zu tun: Schimmelbildung in Wohnungen aufgrund unzureichender Heizung und Lüftung, Probleme mit Rauchmeldern, die erst im Rahmen eines Gerichtsprozesses zu einer Einigung führten, und ausbleibende Mietzahlungen, die im vergangenen Jahr mit 14 000 Euro zu Buche schlugen. Noch einmal 15 000 Euro musste die BGW investieren, um verwahrloste Räume gekündigter Mieter zu sanieren. Alles in allem sei 2016 aber "ein gutes Jahr gewesen", resümierte der Aufsichtsratsvorsitzende Christian von Stülpnagel.

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