Mit Stift und Schreibblock:Inventur in der Altstadt

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Bei einem Stadtspaziergang diskutieren Wolfratshauser Bürger in Gruppen Möglichkeiten zur Umgestaltung der Marktstraße. Sie haben viele Ideen und fordern "Aufenthaltsqualität für jeden Tag".

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Mit vernehmlichem Unmut wurde der Wortbeitrag eines Bürgers aufgenommen, der mit Blick auf die vielen leerstehenden Läden von einer "sterbenden Stadt" sprach. Aber dass enormer Handlungsbedarf besteht, um die Wolfratshauser Marktstraße samt Umgriff spürbar aufzuwerten, darüber herrschte Einigkeit bei den Bürgern, die sich am späten Freitagnachmittag versammelt haben, um unter der Rubrik "Stadt(ver)führung Dialogplanung Altstadt" Ideen zusammenzutragen. Nach der Auftaktveranstaltung am 22. November in der Loisachhalle war dies der zweite Akt einer vierteilig angelegten Dramaturgie, die unter der Moderation des Managementbüros "Identität und Image Coaching AG" darauf abzielt, Veränderungen unter größtmöglicher Beteiligung der Bürger in Angriff zu nehmen. Und die ließen sich die Gelegenheit nicht nehmen, selbst bei klirrender Kälte in drei Gruppen in die Innenstadt auszuschwärmen, um direkt am Ort des Geschehens Eindrücke zu sammeln und, ausgerüstet mit Stift und Journalistenbrett, aufzuschreiben, was alles besser werden muss.

Die Anlaufstationen waren vorgegeben: der Bereich von der Littig-Villa bis zum Schwankl-Eck, der Marienplatz, der Rathaus-Hof, die Happ'sche Apotheke und der Untermarkt mit dem Birnmühlplatz, der mit seiner stark verengten Durchfahrt verkehrstechnisch die heikelste Stelle in der ganzen Stadt darstellt. Wegen der Breite von nur sechs Metern komme es für Fußgänger immer wieder zu brenzligen Situationen, monierte die vormalige Stadträtin Dietlind Diepen. Weil eine Verbreiterung wegen der angrenzenden, ensemblegeschützten Bebauung nicht möglich ist, plädierte sie dafür, die Straße bereits weiter oben an der Musikschule mit Bäumen und zusätzlichen Parkplätzen optisch einzuengen und den mit hohem Tempo herannahenden Autofahrern zu signalisieren, dass Vorsicht angebracht sei. Mit einer solchen Umgestaltung ließe sich nach Diepens Dafürhalten auch "der Platz mit seiner Außengastronomie besser erlebbar machen".

Die Grünen-Stadträte Rudi Seibt und Hans Schmidt schlugen vor, den Platz-Charakter durch höhengleiche Gestaltung von Fußweg und Straße zu betonen. Wenig Sympathien bei den Weidachern dürfte der Vorschlag einer Teilnehmerin finden, die Bahnunterführung nahe der Loisachbrücke aufzuweiten, um so einen Teil des Schwerlastverkehrs schon lange vor der Engstelle über die Weidacher Hauptstraße in Richtung Nantwein abzuleiten.

"Raum für Ideen" bietet aus Sicht der Wolfratshauser Bauamtsleiterin Susanne Leonhard der Marienplatz, die breiteste Stelle der Marktstraße. Hier wurde angeregt, "den Platz in die Straße hinein zu planen" und somit geräumiger für Veranstaltungen und Treffen zu machen. Dem würde auch die Versetzung des Marienbrunnens zur Kirche dienen, wie vorgebracht wurde. Selbst die Platanen an dieser Stelle wurden in Frage gestellt. Einig waren sich die Stadtwanderer, dass man keine ausgefallene Planung brauche, sondern eine "Aufenthaltsqualität für jeden Tag". Dazu zähle, die möglichen Aufstiege in den Bergwald zu optimieren und durch einheitliche Symbole deutlicher kenntlich zu machen.

Unterschiedliche Stimmen erhoben sich zum Rathaushof. Zur Debatte stand die Frage, ob man ihn durch einen Abbau der Wand zur Straße hin öffnen sollte, oder ob gerade die Abgeschlossenheit reizvoll für die Besucher des Stadtcafés sei und man die noch im Bauhof lagernden Türen wieder einhängen sollte. Gefordert wurden auch Bänke für Spaziergänger, die dort ohne Bestellzwang im Café sitzen könnten, und Spielmöglichkeiten für Kinder. Bei der Happ'schen Apotheke verwies Leonhard auf die beengten Verhältnisse hin, die Rettungszufahrt mache im hinteren Bereich eine Einbahnregelung nötig. Besondere Fragen wurden nicht gestellt.

Bei der abschließenden Besprechung im Landhaus-Café plädierte eine Teilnehmerin dafür, alle Parkplätze in der Marktstraße aufzulösen, um mehr Platz für die Fußgänger zu schaffen; ein Gast setzte sich dafür ein, auf die literarische Prominenz hinzuweisen, die zeitweise in Wolfratshausen geweilt habe, darunter der Philosoph Rudolf Carnap und der Autor D.H. Lawrence. Umstritten sind seit Jahren die nostalgischen Leuchtkörper in der Marktstraße. Die Kandelaber passten allenfalls in eine Kurstadt, hieß es. Und die Lüftlmalereien seien bei dem gelben Licht kaum sichtbar. Das gesamte Lichtkonzept müsse überdacht werden. Wenig Sympathien genießt schließlich das Schwankl-Eck: Es sei "unschön zumöbliert", wurde bemängelt. Einigkeit herrschte darüber, dass es für die Lösung der Verkehrsprobleme unbedingt ein übergreifendes Konzept geben müsse.

"Wir haben viel gelernt", bescheinigte am Ende Moderator Thorsten Zink, man habe alles genauestens registriert und werte die Ergebnisse "als Input für den Kreativtag", der am 26. Januar in der Loisachhalle stattfindet, aus. Dort können noch einmal Ideen vorgetragen werden, die anschließend auf ihre Machbarkeit abgeklopft und bis März planerisch aufbereitet werden.

© SZ vom 17.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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