Süddeutsche Zeitung

Mit Poesie und Witz:Der Höhlenmensch hat Hofgang

Michael Fitz zeigt sich in Benediktbeuern als lockerer Plauderer und bayerischer Liedermacher

Von Wolfgang Schäl, Benediktbeuern

So recht weiß Michael Fitz selbst nicht, wie er seine künstlerischen Ambitionen begrifflich einsortieren soll: Singer-Songwriter klingt modern und wäre nicht ganz unpassend, oder ist er doch eher ein singender Poet? Er belässt es lieber dabei, ein schlichter Liedermacher zu sein. Und das auch nur im Zweitberuf, schließlich ist er, Spross einer angesehenen Künstlerfamilie und Vetter von Lisa Fitz, auch als Schauspieler und "Tatort"-Ermittler schon hervorgetreten. Jetzt aber: der Liedermacher. Im festlichen, ausverkauften Barocksaal des Benediktbeurer Klosters springt der 59-Jährige, nur leicht Angegraute am Sonntag ziemlich dynamisch auf die Bühne, salopp im Existenzialisten-Schwarz gewandet und sehr eloquent. Fitz ist nämlich auch ein lockerer Plauderer, ein Moderator in eigener Sache, der mit seinem Publikum engen Kontakt hält. Und er ist einer, der sich mit dem Hochdeutschen nicht abtut - falls jemand mit dem bayerischen Idiom Probleme hat, kommt er an diesem Abend nur schwer auf seine Kosten.

Was Fitz unter der etwas kryptischen Rubrik "Jetz' auf gestern" vermittelt, sind allerlei Gedanken, die im Alltag durch seinen Kopf fließen - und gewiss nicht nur durch seinen. Es sind Themen, die Menschen schon immer beschäftigen: Zeit, Liebe, Sterben, Glück, die Suche nach sich selbst, nach dem Sinn, nach dem eigenen Standort. Und die immer wieder neu gestellte Frage, ob und wann "a Glasl halb voll oder halbert leer ist". Fitz ist ein Sinnierer, einer, der tendenziell düstere Betrachtungen anstellt, aber immer mit der ironischen Distanz, die der Humor, speziell der bayerische, herzustellen vermag.

Konterkariert wird seine Grübelei aber mehr noch durch das Element der Musik - ein Sortiment von vier Gitarren kommt im ständigen Wechsel zum Einsatz. Fitz hat es in der schwierigen Fingerstyle-Technik zu erstaunlichen Fähigkeiten gebracht. Und er hat eine tragende Gesangsstimme, die den Barocksaal trotz der für einen Solo-Auftritt nicht optimalen akustischen Verhältnisse gut ausfüllen kann.

Falls jemand Fitz' streckenweise sehr spezielle bayerische Poesie nicht hätte nachvollziehen können: Das musikalische Erlebnis wäre den Abend allein schon wert gewesen.

Um der bohrenden Frage nachzugehen, was das Menschsein denn bedeutet, wendet Fitz den Blick schnell mal um vier Millionen Jahre zurück, in eine Zeit, "in der eigentlich nicht viel passiert ist". Spannend wurde es erst vor hunderttausend Jahren, nämlich als die Menschen angefangen haben, Fleisch zu essen und ihre Gehirne größer geworden sind. Damals haben in Fitz' Version der Menschheitsgeschichte die Neandertaler den Kürzeren gezogen gegenüber dem Homo sapiens, der einfach cleverer war. Zum Beispiel bei der Wohnungssuche, die damals wie heute ein Problem darstellte. "Weil es immer mehr Menschen wurden, herrschte Höhlenknappheit." Einige Probleme, mit denen sich die Menschen "im postfaktischen Zeitalter herumschlagen mussten", hatte der Neandertaler zumindest nicht. "Man weiß heute nicht mehr, was richtig und was gelogen ist."

So sinniert Fitz dahin, die Titel seiner Lieder sind Programm: "Des bin i", heißt eines, ein anderes ist überschrieben mit "Hinter meiner Stirn". Auch die Liebe, die, wie er findet, doch etwas sehr Aufbauendes hat, kommt vor. Die Anregung, sich damit zu befassen, hat Fitz von einer älteren Touristin, die ihm nach einem Auftritt in Ostfriesland riet, "doch auch mal was Positives zu bringen". Diesen konstruktiven Hinweis hat Fitz ernst genommen, und er weiß allerlei Essenzielles hierüber zu vermitteln, naturgemäß natürlich aus männlicher Sicht: "Du suchst dir eine Lebenspartnerin, die 24 Stunden am Tag liefert, was du selber nicht hast, bist aufgeräumt, hast deinen festen Platz und bekommst ab und zu sogar Hofgang." Was könnte man Schöneres über die Liebe sagen?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4237262
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.