Mit Information gegen Misstrauen:Die Öffnung

Türkisch-islamisches Kulturzentrum Geretsried lädt erstmals zur "Kirmes" ein. Mit Informationen, gutem Essen und Musik will die muslimische Gemeinde gegen Missverständnisse angehen.

Von Barbara Szymanski

Türkisch islamisches Fest der türkisch-isalmischen Gemeinde WOR/GER

Türkisch islamisches Fest der türkisch-isalmischen Gemeinde WOR/GER Türkisch islamisches Fest der türkisch-isalmischen Gemeinde WOR/GER, 19.05.2013, Fladenbrotherstellung, © Manfred Neubauer Foto: Manfred Neubauer

(Foto: Manfred Neubauer)

Wenn im türkisch-islamischen Kulturzentrum in Geretsried wie am Pfingstsamstag und -sonntag zur Kirmes eingeladen wird, hat das gar nichts mit Jahrmarkt, Buden und Fahrgeschäften zu tun. Kirmes heißt die Veranstaltung, damit nicht-muslimische Menschen, Nachbarn und Freunde, neugierig werden und sich anschauen, was ihre türkischstämmigen Mitbürger mit islamischem Glauben seit gut zweieinhalb Jahren an der Elbestraße im ehemaligen Krämmel-Gebäude aufgebaut haben: einen Treffpunkt für Jung und Alt, Gebetsräume, Koran- und Sprachunterricht und eine Anlaufstelle auch für ganz alltägliche Probleme.

Eingeladen hat die derzeit über 150-köpfige türkische Gemeinde eigentlich zum Kermes-Fest, was sich laut Vorsitzendem Osman Akkus mit Benefiz-Veranstaltung übersetzten lässt. Das heißt, der Erlös aus allem, was hier verkauft wird, fließt in die Aufgaben, die sich der Verein unter dem Dach des DITIB (Islamisch-Türkische-Union) gesetzt hat. Feilgeboten werden kräftig gewürzte Hackfleischspießen, die Spinat-Schafskäse-Fladen, Döner und Steckerlfisch, Süßspeisen und leicht nach Kardamom schmeckender echter türkischer Mokka sowie bunte Accessoires.

Essen und Getränke schmecken prima, auch, weil alles frisch zubereitet wird. Und die vielen Menschen in den Zelten und im Gemeindezentrum amüsieren sich und sind guter Dinge auch ohne alkoholische Getränke. Es gibt keine einzige verschlossene Türe. Nicht einmal die zum Andachtsraum, in dem sich der einige Männer zum Mittagsgebet eingefunden haben. "Gäste sind immer willkommen", sagt Akkus, begrüßt einige Geretsrieder und erklärt auch gleich den Sinn des Kermes-Fests: "Nur wenn man sich nicht kennt, kommt es zu Missverständnissen."

Mit dem gleichen Nachdruck fügt er aber hinzu: "Auch wir müssen uns öffnen und zeigen, was wir hier im Kulturzentrum vorhaben." Gemeindemitglied Karaman Ümit berichtet Bürgermeisterin Cornelia Irmer, dass ein Fußballverein in Vorbereitung ist: "Vor allem, damit die jungen Leute keinen Schmarrn machen." Ümit, der selber Fußball spielt, erzählt, im Kulturzentrum würden Sprachkurse für bislang nur türkisch sprechende Frauen angeboten werden, damit sie ohne Begleitung Ärzte und Behörden aufsuchen und alleine einkaufen können.

Cornelia Irmers Mann Klemens möchte vom Imam wissen, wie fundamentalistische Imame (Vorbeter) verhindert werden. Hussein Özdemir übersetzt, dass Imame, die in Deutschland Dienst tun, vorher ein halbes Jahr mit der deutschen Sprache, Kultur und Gesellschaft vertraut gemacht werden bis hin zur Mülltrennung, und dass selbstverständlich auch ihre spirituelle Grundhaltung genau geprüft werde. "Nirgends im Koran steht, dass man im Namen des Islam Menschen hassen, verfolgen oder töten muss", kommentiert Osman Akkus mit ernstem Gesicht.

In den Zelten und im Gebäude tragen viele junge und reifere Frauen Kopftuch. Werden sie darauf angesprochen, dann lächeln sie und antworten ohne irritiert zu sein: "Wir wollen damit zeigen, dass wir hinter unserem Glauben stehen. Wir jedenfalls haben uns aus freien Stücken dazu entschieden." Die Männer beteuern indes, dass sie es ihren Frauen überlassen, Kopftuch oder Schleier zu tragen. Denn nur so könne man zusammen in Frieden leben. Die Bürgermeisterin bekommt einen Gebetsteppich zur Erinnerung an die junge türkische Gemeinde, und sie wird zum türkischen Mokka eingeladen ins Zelt, in dem eine Frau eine gute Stunde lang in einem Tongefäß Joghurt und Milch zu dem erfrischenden, leicht gesalzenen Ayran behutsam hin und her wiegt. Und hier gibt es auch Gesang und Musik zur Baglama, der türkischen Laute. Spätestens jetzt ist man angekommen als willkommener Besucher der gastfreundlichen türkischen Gemeinde mitten in Geretsried.

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