Süddeutsche Zeitung

Millionen-Projekt:Ausgetagt

Jahrelang hat die Fraunhofer-Gesellschaft ein "Netzwert-Zentrum" im Garten des Klosters Benediktbeuern geplant. Nach dem Aus setzt Klosterdirektor Lothar Bily jetzt auf die Sanierung des Südtraktes.

Von Julian Erbersdobler

Die einen waren dafür, die anderen strikt dagegen. Seit Anfang April ist klar: Im Südgarten des Klosters in Benediktbeuern wird doch kein Tagungshaus der Fraunhofer-Gesellschaft entstehen. Damit scheitert ein Projekt, das schon seit vielen Jahren in Planung war und kontrovers diskutiert wurde. "Das bedeutet nicht das Ende des Klosters", sagt der Direktor und Pater Lothar Bily mit Nachdruck. "Das Netzwert-Zentrum war ein nicht ganz unwichtiger Mosaikstein für die Zukunft." Aber jetzt müsse man sehen, wie man diesen durch andere Bausteine ersetzen könne. "Natürlich haben wir Zeit und Energie in das Projekt gesteckt." Der weitaus größere Verlust liege aber auf Seiten von Fraunhofer, sagt er.

Anfang April erfuhr der Klosterdirektor bei einem Treffen, dass der Bau nicht realisiert werden kann. Er habe es aber schon vorher geahnt, so Bily. Bereits im Herbst vergangenen Jahres hätte der Pachtvertrag unterschrieben werden sollen. "Das ist nicht geschehen." Fraunhofer bezog in einer Mitteilung Stellung. Im Rahmen einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Tagungseinrichtungen habe der Bundesrechnungshof neue Kriterien festgelegt, heißt es, um solche Tagungshäuser künftig genehmigen zu können. Daraufhin habe das Bundesministerium für Bildung und Forschung mitgeteilt, dass diese Bestimmungen auch für das geplante Netzwert-Zentrum in Benediktbeuern gelten. "Aus diesem Grund sieht die Fraunhofer-Gesellschaft keine Alternative zu einem Abbruch des Projekts", steht in dem Schreiben.

Das Tagungshaus mit 36 Betten sollte vom Bund und vom Freistaat finanziert werden und rund 10,5 Millionen Euro kosten. Vorgesehen war ein zweistöckiges Hauptgebäude mit einem angebauten Flachbau. Der Salesianer-Orden, mit dem Fraunhofer einen Erbpachtvertrag unterzeichnen wollte, hatte stets betont, wie wichtig das Vorhaben an der früheren Wirkungsstätte Joseph von Fraunhofers für die Zukunft des Klosters sei. Der Gemeinderat hatte dem Projekt zugestimmt und die nötigen Voraussetzungen geschaffen. Zu den Unterstützern gehörte auch Benediktbeuerns Zweiter Bürgermeister Hanns-Frank Seller (CSU). "Natürlich tut es uns als Gemeinde leid", sagt er. "Wir haben uns für das Projekt stark gemacht - trotz Gegenwind." Das wichtigstes Ziel der Verwaltung sei nach wie vor, dass die Einrichtung weiterhin von den Salesianern betrieben werde. Klosterdirektor Lothar Bily sieht im Scheitern keinen Grund, den Kontakt zu Fraunhofer abzubrechen. Man müsse die Entscheidung akzeptieren. "Es hätte viele gute Ausgangspunkte für eine weitere Kooperation gegeben", sagt er. Im Kloster ist unter anderem das Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege angesiedelt. Dort können sich Fachplaner, Handwerker, Bauherren und Interessierte über Energieeffizienz informieren, beraten und weiterbilden lassen.

37 Mitbrüder

der Salesianer Don Boscos aus sieben Nationen leben und arbeiten im Kloster Benediktbeuern. Sie sind gemeinsam mit rund 140 angestellten und zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern in den verschiedenen Einrichtungen tätig. Seit Oktober 2015 wohnen im Kloster auch Studenten der Katholischen Stiftungshochschule, neben Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres.

Ob es neben der Einrichtung noch zu weiteren Kooperationen zwischen dem Kloster und Fraunhofer kommt, werde gerade eruiert, heißt es aus Pressestelle der Forschungsgesellschaft. Angedacht sei zum Beispiel, einen Teil der internen Veranstaltungen wie Tagungen und Seminare in Benediktbeuern durchzuführen. "Da müssen wir schauen, ob das mit den Räumlichkeiten passt", sagt Thomas Eck von der Presseabteilung. Um die Tagungssituation im Kloster zu verbessern, wird heuer der Südarkadentrakt saniert. Die Arbeiten sollen im Sommer beginnen und rund drei Jahre dauern. Aus drei Küchen wird dann eine. Und auch die Hauskapelle soll umziehen. "In der jetzigen Größe benötigen wir sie nicht mehr", sagt Direktor Lothar Bily. Im ersten Stock werden zusätzlich Tagungsräume zur Verfügung gestellt.

Die Bürgerinitiative "DenkMal Benediktbeuern" hat jahrelang gegen die Pläne eines Tagungshauses im Klostergarten gekämpft. Julia Wolff hat sie 2013 gemeinsam mit ihrem Vater gegründet. "Der Neubau an diesem Standort wäre für die Klosteranlage eine Katastrophe gewesen", sagt sie. "Wenn es nicht anders gekommen wäre, hätten wir gegen den Bebauungsplan geklagt." Laut Wolff hat die Bürgerinitiative beim Ministerium für Bildung und Forschung nachgehakt und so den Stein ins Rollen gebracht. "Offensichtlich hat sich unsere Beharrlichkeit ausgezahlt." Auf eine Diskussion über mögliche Alternativstandorte habe sich in der Vergangenheit weder die Fraunhofer-Gesellschaft noch das Kloster eingelassen. Die Gegenseite habe versucht, die Kritik am Projekt totzuschweigen. Auf Nachfragen zum Tagungshaus sei einfach gar nicht reagiert worden. Aber wie geht es jetzt mit der Bürgerinitiative weiter? "Wir fordern die Gemeinde dazu auf, den Flächennutzungsplan wieder in seine Ausgangsform zu bringen", so Wolff. Der Klostergarten sei denkmalgeschützt und im sogenannten Außenbereich. "Unsere Initiative wird das Thema weiter intensiv beobachten." Wichtig sei aber vor allem, dass Fraunhofer das Kloster nicht fallen lasse, sondern weiter kooperiere.

Über die Bedeutung des Wissenschaftlers Joseph von Fraunhofer für den Standort Benediktbeuern sind sich alle Seiten einig. Der berühmte Optiker erzielte hier seine bahnbrechenden Erfolge: die Entwicklung des schlierenfreien Flintglases sowie die Entdeckung der nach ihm benannten "Fraunhoferschen Linien", dunklen Linien im Sonnenspektrum. Nach der Säkularisation hatte der Fabrikant Joseph von Utzschneider 1805 die Gebäude des ehemaligen Klosters Benediktbeuern erworben und dort eine Glashütte zur Herstellung von Gebrauchsglas und optischem Glas eingerichtet sowie ein optisches Institut. Dort war Fraunhofer zwischen 1807 und 1819 tätig. In seiner ehemaligen Arbeitsstätte, der Glashütte in den Gebäuden des 1803 säkularisierten Klosters, ist heute ein Museum. "Fraunhofer hat in Benediktbeuern Grundlagen geschaffen, die den Blick in die Weiten der Galaxie ermöglicht haben", sagt Lothar Bily.

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SZ vom 21.04.2018/aip
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