Süddeutsche Zeitung

Mietpreise:Zehn Prozent, die gut tun

Beim kommunalen Wohnungsbau sind die Mieten in der Regel ein paar Prozentpunkte günstiger als auf dem freien Markt. Und weil nicht jede Familie monatlich 2000 Euro fürs Wohnen ausgeben kann, versuchen die Städte und Gemeinden mehr zu bauen - doch dabei gibt es viele Hürden

Von Benjamin Engel, Konstantin Kaip, Klaus Schieder und Alexandra Vecchiato

Die Corona-Krise hat laut Immobilienverband Deutschland (IVD) zwar den Anstieg der Mietpreise in der Region leicht gebremst. Günstiger aber sind Wohnungen in ganz Bayern nicht geworden. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, sagt: "Wer gehofft hatte, die Pandemie würde quasi als Kollateral-Gewinn den Mietmarkt nennenswert entlasten, muss sich leider von diesen Hoffnungen verabschieden." Mieten von 13 Euro pro Quadratmeter bleiben im Landkreis vielerorts Standard, an günstigem Wohnraum mangelt es. Neben den Baugenossenschaften sorgen aber auch einige Kommunen zumindest für einen Hoffnungsschimmer, indem sie selbst Wohnungen bauen.

Zum Beispiel Münsing, das mit dem Neubau auf dem Milchhäusl-Grundstück an der Hauptstraße 2019 seinen kommunalen Bestand von 17 auf 29 Wohnungen vergrößert hat. Bürgermeister Michael Grasl (FW) spricht von einem konzeptionellen und gestalterischen Erfolgsmodell. "Die Finanzierung über Zuschüsse und zinslose Darlehen war einmalig günstig." Eigentlich müsste die Gemeinde mit ähnlichen Projekten weitermachen. Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum werde steigen, etwa für Rentner, Erzieherinnen, Gemeindemitarbeiter, Lehrer und andere vor Ort benötigte Berufsgruppen, sagt er.

Das Haus mit den zwölf Kommunalwohnungen in Münsing hat 4,5 Millionen Euro gekostet, davon übernahm der Freistaat mehr als 1,2 Millionen Euro. Die Verwaltung nahm ein zinsgünstiges Darlehen von 2,4 Millionen Euro auf. Die Geretsrieder Baugenossenschaft (BG) verwaltet das Haus und vergibt die Wohnungen. Pro Quadratmeter zahlen die Mieter 10,50 Euro. Nach Widerstand gegen die Dimension des Hauses reduzierte die Gemeinde die Anzahl der Wohnungen um zwei.

"Wir könnten in Ambach am Pilotyweg mittelfristig auch ein neues Gebäude bauen", sagt Grasl. Das zu realisieren werde aber in der jetzigen Amtsperiode angesichts von Projekten wie Bürgerhaus oder Haus des Kindes schwer. Veränderungen wie durch den Neubau der VR-Bank am Dorfplatz sollte man aufgeschlossener gegenüberstehen, findet Grasl. "Man sollte sich überlegen, worüber man jammert. Über zu wenig Wohnungen oder über Veränderungen, die sich aber mittelfristig doch einfügen in eine Ortschaft."

In Wolfratshausen ist seit 1995 die Städtische Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft (Stäwo) für den kommunalen Wohnungsbau zuständig. Vor zwei Jahren hat sie an der Schlesierstraße in Waldram ihr bislang größtes Projekt realisiert: 52 barrierefreie, geförderte Wohnungen. Damit ist das Portfolio auf insgesamt rund 350 Wohnungen in Wolfratshausen gestiegen, wie Lothar Ortolf erklärt. Der 66-Jährige wurde 2005 zum Geschäftsführer der Stäwo ernannt und ist noch bis Mai kommenden Jahres in Altersteilzeit, dann wird er die GmbH und 100-prozentige Stadttochter an seinen Nachfolger Robert Alischer übergeben. "Ich bin eigentlich ein Auslaufmodell", sagt er.

Beim Rückblick auf die vergangenen 15 Jahre aber stellt er fest, dass die Stäwo im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus Erfolge verbuchen kann. "Wie die Baugenossenschaften erreichen wir auch Normal- und Geringverdiener", sagt Ortolf - "im Gegensatz zu privaten Bauträgern, die nur noch hochpreisig bauen." Die aufwendige Vermietung von Sozialwohnungen tue sich kaum noch jemand aus dem privaten Sektor an. "Es wäre fatal, wenn wir wegfallen würden", sagt Ortolf.

Als er Geschäftsführer wurde, musste er zunächst einiges bereinigen. Denn die Stäwo hatte sich in den Anfangsjahren übernommen und hätte Insolvenz anmelden müssen. Grund war, dass die Stadt ihre Immobilien nicht an die Gesellschaft überschrieben hatte. Die Stäwo habe zwar saniert, die Kosten dafür aber nicht abschreiben können. "Wir hatten hohe Schulden, aber keine Substanz", sagt Ortolf. Dies habe man teilweise behoben, etwa über Erbbaurechtsverträge mit der Stadt. Die Stäwo habe zwei Kernaufgaben.

Mit der ersten, die städtischen Wohnungen zu erhalten und zu sanieren, "sind wir fast durch". Die zweite sei es, günstigen Wohnraum für die Bürger zu schaffen. Und die bleibe eine große Herausforderung. Derzeit baue die Stäwo Dachgeschosse an der Kräuterstraße aus. Dadurch entstünden zwar nur sechs neue Wohnungen. "Aber Kleinvieh macht auch Mist." Größeres Potenzial gebe es bei drei Altbauten der Stäwo an der Wetterstein- und Sauerlacher Straße sowie am Steghiaslweg, die sie bislang bewusst nicht saniert habe. Würde man die maroden Häuser für Neubauten abbrechen, könnte man aus den zwölf Wohnungen 33 machen. "Aber das ist eine politische Frage, die nicht wir entscheiden."

Im Vergleich zu den Baugenossenschaften mit ihrer langen Geschichte sei die Stäwo ein junges Unternehmen, sagt Ortolf, dem es aber finanziell inzwischen "ganz gut" gehe. Zwar habe man immer noch gut 20 Millionen Euro Schulden, die aber teilweise von Eigenkapital gedeckt seien und durch Einnahmen amortisiert würden. Um die Schulden abzubauen und vernünftig zu wirtschaften, müsse die Stäwo, anders als die Genossenschaften, etwa die Hälfte ihrer Wohnungen auf dem freien Markt vermieten. "Doch auch da liegen wir trotzdem zehn bis 20 Prozent unter dem üblichen Preis", sagt Ortolf.

Das Modell einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft habe sich in Wolfratshausen bewährt, findet der scheidende Geschäftsführer. Schließlich seien ohne eine solche GmbH die Entscheidungsprozesse in einer Stadtverwaltung sehr langwierig. "Wir sind aufgrund der kurzen Wege zwangsläufig recht schlagkräftig. Das ist ein Riesenvorteil." Sichtbar wurde das beim Waldramer Neubau, der nicht nur zügig realisiert wurde, sondern mit 12,4 Millionen Euro auch unter dem Kostenansatz blieb. Der Freistaat hat die beiden Neubauten mit rund 8,6 Millionen gefördert - eine Million gab es als Zuschuss, den Rest als zinsgünstiges Förderdarlehen. Langwierig war allerdings die politische Vorgeschichte. Den Beschluss zur Bebauung der sogenannten Coop-Wiese fasste der Stadtrat erst nach jahrelanger Diskussion.

Die Bautätigkeit der Stäwo wird in Wolfratshausen vor allem von einem Faktor limitiert: mangelndem Grund. "Durch die Kessellage zwischen Bergwald und Fluss stehen einfach zu wenige Grundstücke zur Verfügung", sagt Ortolf. Projekte wie die 770 geplanten Wohnungen auf dem Lorenz-Areal in Geretsried seien "undenkbar". Eine Möglichkeit, dennoch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, könnten höhere Häuser sein. Das aber ist wieder eine politische Frage, mit der sich Ortolf wohl nicht mehr befassen muss.

Im Penzberger Rathaus ist man sich der Dringlichkeit bewusst, dass die Stadt bezahlbaren Wohnraum für ihre Bürger schaffen müsse. Dabei gehe es nicht allein um Sozialhilfeempfänger, sondern um "Normalverdiener", die sich Mieten von 2000 Euro im Monat nicht leisten könnten, sagt Bürgermeister Stefan Korpan (CSU). "Das ist eine unserer absolut wichtigen Aufgaben." Dies zeige auch ein Blick auf die Warteliste mit mehr als 200 Namen von Menschen, die eine Wohnung suchen, die sie sich leisten können.

240 städtische Wohnungen gibt es in Penzberg. Dazu kommen noch Wohneinheiten an der Bürgermeister-Rummer-Straße. Neu geschaffen werden 149 Wohnungen im Baugebiet Birkenstraße-West sowie 35 am Daserweg. "Wir kommen da fast auf 500 städtische Wohnungen", sagt Korpan.

Diese Liegenschaften wollen verwaltet sein. Bislang verteilen sich die Zuständigkeiten im Penzberger Rathaus auf mehrere Abteilungen. Das könnte sich ändern. "Wir möchten klären, ob wir dem Bereich eine eigene Struktur geben", sagt Korpan. Ob diese Struktur eine eigene Abteilung, ein Kommunalunternehmen oder eine GmbH sein könnte, wird geprüft. Die Verwaltung der städtischen Liegenschaften in einer Hand hätte einen wesentlichen Vorteil, so Korpan: einen besseren Überblick. Und es könnten Rücklagen für Sanierungen oder neue Projekte gebildet werden. "Das wurde in den vergangenen Jahren in Penzberg vernachlässigt", sagt der Bürgermeister.

Bad Tölz hat 330 kommunale Wohnungen. Dies teilt Pressesprecherin Birte Otterbach mit. 144 davon befinden sich im Lettenholz. Nach dem Wegzug der US-Streitkräfte kaufte die Stadt zu Beginn der Neunzigerjahre die Häuser an der General-Patton-Straße, die einstmals die Soldaten mit ihren Familien beherbergten. Danach tat sich lange nichts mehr, bis die Stadt unter Bürgermeister Josef Janker (CSU) ein Haus mit 18 Wohnungen an der Osterleite errichtete, die für weniger betuchte Singles, Rentner und Paare gedacht sind. Das zweite Projekt dieser Art entsteht gerade an der Königsdorfer Straße: In das Mehrfamilienhaus mit sechs Vier-Zimmer- und drei Drei-Zimmer-Wohnungen ziehen im Herbst einkommensschwache Familien ein. Die Stadt plant noch etwa 30 preisgünstige Domizile zwischen dem Gabriel-von-Seidl- und dem Isarleitenweg. Einen Bebauungsplan dafür hat der Stadtrat im April gebilligt. Bis die Bagger anrollen, dürften allerdings noch Jahre vergehen.

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SZ vom 07.07.2021
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