Meitersolisten im Isartal:Erst brav, dann brillant

Meitersolisten im Isartal: Christoph Callies (Violine), Samuel Selle (Cello) und Lion Hinnrichs (Klavier) sind das "Trio Adorno".

Christoph Callies (Violine), Samuel Selle (Cello) und Lion Hinnrichs (Klavier) sind das "Trio Adorno".

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das "Trio Adorno" langweilt in Icking mit Beethoven und überzeugt mit meisterlichen "Facetten" von Elmar Lampson

Von Paul Schäufele, Icking

Nun ist Theodor W. Adorno für vieles berühmt gewesen, aber nicht für sein Temperament oder sein überwältigendes Charisma - auch wenn überzeugte Jünger der Frankfurter Schule da heftig widersprechen mögen. Wenn sich ein junges Klaviertrio nach dem Großphilosophen der Nachkriegszeit benennt, muss das also andere Gründe haben. Und tatsächlich möchte man dem Trio Adorno nach seinem Debüt bei der Ickinger Klassik-Reihe "Meistersolisten im Isartal" intellektuelle Brillanz und Nachdenklichkeit attestieren. Doch zwingende Interpretationen sind damit nicht garantiert und das Ergebnis sieht durchwachsen aus: ein langweiliger Beethoven, ein hochinteressantes Experiment mit Neuer Musik und ein gelungener Dvořák.

Beethovens Opus 97 in B-Dur, bekannt unter seinem Beinamen "Erzherzog-Trio", ist ein tückisches Stück. Die zeitlichen Dimensionen sprengen den Rahmen aller vorherigen Trio-Kompositionen, und dabei gibt es nicht einmal die beethoventypischen Schroffheiten, an denen sich die Musiker festhalten könnten. In lyrisch-gesanglichem Ton entfalten sich die Themen, denen beinahe allen die Vortragsbezeichnung "dolce" (süß) mitgegeben wurde. Allzu leicht verliert sich ein Ensemble da in den Weiten der kammermusikalischen Landschaft. Leider passiert dem Hamburger Trio eben das. Anstatt die verdächtig positive Musik zu befragen, nach Dunklem zu suchen, kosten Christoph Callies (Violine), Samuel Selle (Cello) und Lion Hinnrichs (Klavier) den Schönklang der epochalen Komposition aus, baden in Poesie. Das erlaubt ihnen ihre klangliche Delikatesse. Hinnrichs Anschlag ist bewundernswert sensibel, Callies' Ton hat eine konturenstarke Wärme, und Selles Cello singt wunderbar. Doch auf Dauer ermüdet die Meditation über den guten Ton und man möchte den Musikern zurufen: "Macht doch einmal etwas Unerwartetes! Einmal kratzen, einmal schluchzen, einmal donnern, einmal zeigen, wie fantastisch und abwegig Beethovens Idee ist, am Ende des Finales noch eine Strecke in der weit entfernten Tonart A-Dur einzufügen - einfach etwas, das der beständigen Süße einen anderen Geschmack beifügt.

Mit Elmar Lampsons "Facetten" (1987), einer nicht einmal zehnminütigen Komposition des Hamburger Kompositions-Professors, gelingt dem Trio Adorno dagegen ein Meisterstück. Hier trifft der intellektuell fundierte Anspruch auf eine Partitur, die diese reflexive Auseinandersetzung geradezu einfordert. Lampsons fünf Stücke sind Miniaturen, welche die klanglichen Möglichkeiten der Besetzung mit Klavier, Geige und Cello ausloten möchten. Seine "Facetten" sind die Skizzen zu einer Versuchsanordnung, die die Musiker folgerichtig und akkurat durchführen. Hier schöpfen die drei Musiker, die vor 18 Jahren für einen Wettbewerb zusammenkamen, aus ihrem reichhaltigen Technik-Reservoire. Mit feinster Abstimmungskunst erzeugen sie in Sekundenschnelle Atmosphäre, ruhig fließend, gespenstisch, eruptiv, spielerisch, bis zum Verklingen in unwirklicher Schönheit.

Und auch Antonín Dvořáks eher selten gespieltes Klaviertrio Opus 26 in g-Moll entspricht dem Temperament des Hamburger Trios auf komplementäre Weise. Das relativ frühe Werk zeigt den tschechischen Komponisten noch auf einer Stufe des Schaffens, in der sich bei ihm das Brahms'sche Formbewusstsein noch nicht ganz gegenüber der Tonsprache Liszts und Wagners durchgesetzt hat. Aus der vagen, ausufernden Behandlung des thematischen Materials müssen die Musiker selbst etwas machen. Dem kommt der strukturierende und überlegte Zugriff des Trio Adorno zugute. Dem Zug des Werks ins Melancholische begegnet es mit wohltuender Zurückhaltung. So lassen die drei die volkstümlichen Melodien schlicht für sich sprechen. Besonders der langsame Satz wird so zu einem einzigen Dahinströmen, bei dem man staunen möchte, wie geschmackvoll hier Dvořáks Tonartenplan klangfarblich ausgefüllt wird. Dasselbe gilt für das naiv schöne Trio des Scherzos, hier singen die Streicher und glitzert das Klavier. Klar ist deshalb auch, dass das Finale, eine wild-lustige Polka, nicht so robust daherkommt, wie sie könnte. Doch mit dem ihm eigenen Ansatz findet das Trio Adorno hier eine elegante Interpretation mit Schwung und Witz, die das Publikum zu Bravo-Rufen inspiriert.

Mit der Zugabe ist dann vergessen, wie brav der Abend begonnen hat. Im Finale des dritten Klaviertrios des Tschechen Bohuslav Martinů - ein halbes Jahrhundert nach Dvořák geboren - zeigen die drei jungen Musiker ihr Reaktionsvermögen. Martinůs Stück ist eine Art Perpetuum mobile, dabei in keinem Moment vorhersehbar. Präzise, leidenschaftlich und gelöst präsentiert das Trio Adorno dieses Juwel der Kammermusik und zeigt, dass die Musik des 20. Jahrhunderts jenes Repertoire ist, in dem sie brillieren und das sie sich erobern können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: