Süddeutsche Zeitung

Meisterkonzert im Gemeindezentrum:Die Schönheit der Musik

Das Leipziger Reinhold Quartett widmet sich in Iffeldorf dem unbekannten Komponisten York Bowen

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Iffeldorf

Traditionelle Stile mit modernen Elementen der Gegenwart zu verbinden - das ist es, was Komponisten zu den für sie charakteristischen Profilen bringt. Einer davon, bislang noch selten zu hören im Konzertprogramm, ist der 1884 geborene und 1961 verstorbene englische Komponist York Bowen. Im Iffeldorfer Gemeindezentrum war er jetzt beim ersten Konzert nach langer Pandemie-Pause zu entdecken.

Zu Gast bei den Iffeldorfer Meisterkonzerten waren Musiker des Leipziger Reinhold Quartetts, die mit Volker Hemken, ihrem Bassklarinetten-Kollegen vom Gewandhaus-Orchester, angereist waren. Und der hatte die Streicher, die seit 1996 zusammenarbeiten und immer auf der Suche nach Neuem sind, auf York Bowen gebracht.

Das Phantasy Quintett op. 93 für Streichquartett und Bassklarinette aus den 1930er-Jahren mutet für diese Zeit sehr romantisch an. Teilweise kühn im Umgang mit Klangfarben und Harmonik, als hätte sich Bowen viel Claude Debussy angehört, teilweise aber auch, als wäre ihm der symphonische Jazz eines Count Basie zu Ohren gekommen. In seinen biografischen Skizzen erklärt der Komponist jedenfalls seinen Hang zur Romantik damit, dass er moderne Stilistiken der Zwischenkriegszeit, soweit sie ihm hässlich erschienen, ablehnt, um sich der Schönheit der Musik zu widmen.

Und so war in Iffeldorf eine echte Entdeckung zu machen. Sein Phantasy Quintett loteten die fünf Leipziger in seiner Melange aus Melancholie und Sentimentalität genial aus. Vor allem die Abstimmung zwischen den Soloparts und der Begleitung dazu gelang zwischen den fünf Musikern perfekt abgestimmt.

Zweiter Programmteil des Abends war dann Antonin Dvořáks Streichquartett op. 106. Auch dies ist ein Werk zwischen Traditionalismus und moderner Stilistik, die der Tscheche bei seinen Amerika-Aufenthalten aufgesogen hatte. Und diese späte Musik schrieb er nach seiner Rückkehr in die Heimat. Wunderbar vor allem im zweiten Satz "Adagio ma non troppo" findet sich eine Melange aus böhmischer Motivik und pulsendem Rhythmus, der Dvořáks berühmtes amerikanische Quartett prägte. Aber hier ist es quasi nur noch eine kurze Reminiszenz an seine Zeit in New York, in der Neuen Welt. Der Eröffnungssatz spiegelt die ungemeine Freude des Komponisten, wieder zu Hause zu sein. Die vier Streicher, Dietrich Reinhold und Tobias Haupt (Violine), Norbert Tunze (Viola) und Dorothée Erbiner (Violoncello) waren von Beginn ab bei diesem Dvořák voll in ihrem Element.

Sie wechselten nach dem sprühenden G-Dur des ersten Satzes in die eher stille Freude in der der zweite Satz in seiner h-Moll-Stimmung klingt. Feinsinnig wie gleichermaßen temperamentvoll arbeiteten die vier Instrumentalisten die rhapsodische Fülle dieses Dvořák'schen Spätwerks heraus.

Musikantisch und mit viel innerem Feuer geriet der letzte Satz zu einem der Höhepunkte des Abends. Begeisterter Applaus bei den Zuhörern, die jeweils um 16 und um 19 Uhr in das Gemeindezentrum geladen waren, dafür aber in jedem der beiden Konzerte mit einem Programmpunkt weniger auskommen mussten. Aber das nimmt man gern in Kauf, wenn man dafür ohne Maske lauschen kann.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2021
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