Süddeutsche Zeitung

Mein Tag:Zu Fuß über die Alpen

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Andrea Lindner wandert alleine von München nach Venedig

Protokoll von Sebastian d'Huc, München/Wolfratshausen

Anfang des Monats ist Andrea Lindner () zu ihrer großen Wanderung aufgebrochen. In den nächsten sechs Wochen wird die 28-jährige freie Journalistin und Moderatorin vom Münchner Marienplatz bis zum Markusplatz in Venedig laufen: 555 Kilometer und etwa 20 000 Höhenmeter in 30 Etappen. Ihr Ziel ist es, die gesamte Reise ohne Geld zu bewältigen, indem sie bei Fremden um Unterschlupf bittet und in Berghütten durch Mitarbeit ihren Unterhalt bestreitet. Ihre erste Etappe führte sie durch Wolfratshausen, ihre zweite durch Bad Tölz:

"Diese Wanderung zu machen, war schon lange ein Traum von mir. Ursprünglich hatte ich gehofft, die Reise mit einer engen Freundin zu bestreiten, aber irgendwie haben wir es nie hinbekommen. Deswegen mache ich die Reise jetzt alleine, was ich aber auch als etwas Positives sehe. Es ist sowieso schon eine Herausforderung, mehr als 500 Kilometer in einem Monat zu wandern. Aber es alleine zu tun, fügt den körperlichen Schwierigkeiten noch eine psychische Dimension hinzu. Eigentlich bin ich ein sehr geselliger Mensch und ungern alleine. Dieses Alleinsein, dieses sich selbst genügen müssen, wird sicherlich eine besondere Herausforderung für mich. Ich werde auch auf Social Media meine Reise dokumentieren, in der Hoffnung, andere Menschen zu inspirieren und zu motivieren - allerdings nicht zu viel. Wirklich alleine wäre ich ja auch nicht mehr, wenn ich ständig im Internet bin.

Auf meiner gesamten Reise möchte ich ohne Geld auskommen - nicht aus finanziellen Gründen, sondern um eine neue Perspektive einzunehmen. Ich habe über Facebook nach Menschen an den jeweiligen Etappenzielen gesucht, die mich für eine Nacht aufnehmen. Das hat bislang sehr gut geklappt. Zusätzlich möchte ich in Hütten bleiben und mir durch Mitarbeit einen Schlafplatz und eine warme Mahlzeit verdienen. Das ist etwas schwieriger - wegen Corona möchten viele Hüttenbetreiber nicht, dass eine "Externe" kurzzeitig im Service aushilft. Die Corona-Situation hat mir allgemein ein wenig Sorgen gemacht - lange war unklar, ob die Grenzen rechtzeitig für meinen Aufbruch wieder geöffnet sein würden. Ich bin froh, dass sich jetzt doch noch alles ausgegangen ist.

Warum ich den "Traumpfad" nach Venedig wandere, und nicht irgendeine andere Strecke? Es gibt zwei Gründe. Zum einen liebe ich die Berge und große Naturschauspiele. Ich gehe auch während meines Berufsalltags sehr gerne am Wochenende wandern, zum Beispiel am Watzmann. Zum anderen finde ich, dass das "Über-die-Berge-Gehen" eine starke Symbolik und eine Erhabenheit hat. An den ersten Tagen bei der Wanderschaft durch das Voralpenland kommen die Berge immer näher, bis sie irgendwann wie eine Wand vor dir stehen. Dann schreitet man durch sie hindurch, kann jeden Tag an den Gipfeln ablesen, wie weit man schon gekommen ist. Und irgendwann werde ich in der Nähe von Belluno auf dem letzten Berg meiner Reise stehen. Vor mir breitet sich dann das Flachland aus, man sieht bereits das Meer, und hinter mir türmen sich die Alpen. Ich bin mir sicher, dass das ein wahnsinnig erhabenes Gefühl sein wird - das macht was mit einem."

Interessierte können Andrea Lindner via Website und Sozialen Medien begleiten: www.zwei-abenteurer.de; Facebook: "zwei Abenteurer"

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Quelle:
SZ vom 06.07.2020
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