Mein Tag:Angst vor Beißangriffen

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Hundetrainerin Gisela Rauh (Foto: Harry Wolfsbauer)

Hundetrainerin Gisela Rauh warnt vor unerzogenen Corona-Hunden

Protokoll: Alexandra Vecchiato, Geretsried

Etwa zehn Millionen Hunde leben in deutschen Haushalten. Viele haben sich während der Corona-Krise ein Tier angeschafft und wurden alleingelassen mit der Erziehung, da Hundeschulen im Lockdown geschlossen blieben. Die Tiertrainer machen am Sonntag, 7. März, bei einer Demo am Münchner Odeonsplatz (13 bis 17 Uhr) auf ihr Arbeitsverbot aufmerksam. Ein Schritt, der längst überfällig ist, findet Hundetrainerin Gisela Rauhaus Geretsried.

"In der Corona-Krise mit Home-Office und Homeschooling haben sich viele Leute Hunde nach Hause geholt. Ich hatte vergangenes Jahr doppelt so viele Anfragen von Leuten, die mit ihren Welpen zum Unterricht kommen wollten. Es war explosionsartig. Wegen der beiden Lockdown-Phasen wurde in Bayern der Präsenzunterricht in Hundeschulen mit dem Hinweis untersagt, es handele sich um ein außerschulisches Bildungsangebot. Aber mit der steigenden Anzahl an Hunden wachsen auch die Probleme, da viele Tiere schon im Frühjahr 2020 nicht gut sozialisiert wurden.

Es ist dramatisch, dass wir Hundetrainer nicht helfen dürfen. Online-Workshops können das ein wenig abfangen, aber auf die Entfernung kann ein Trainer nicht wirklich helfen. Ich muss den Hund aus der Nähe sehen, beobachten, was der Auslöser für nicht erwünschtes Verhalten ist. Warum jagt ein Hund? Das sehe ich nur, wenn er in Aktion ist. Videoaufnahmen von solchen Szenen sind bedingt hilfreich. Die ersten fünf Monate sind bei einem Hund die wichtigsten für die Prägung. Diese Monate sind verloren. Viele Welpen und Junghunde konnten nicht vorbereitet werden. Es geht um das Kennenlernen von fremden Menschen und vieles mehr. Außerdem können Hunde Sozialverhalten wieder verlernen.

Meine Sorge ist, dass die hohe Anzahl an Hunden, nennen wir sie ruhig Corona-Hunde, zu mehr Beißvorfällen führen kann. Am Ende steht für Hundehalter - und zwar dann für alle - Leinenzwang und Maulkorbpflicht. Ich sehe überfüllte Tierheime, weil die Leute mit ihren Hunden nicht zurecht kommen. Es ist mir unverständlich, warum Hundeschulen im Freien mit Abstand und Hygienekonzept keinen Unterricht anbieten dürfen. Es ist so wichtig, dass Familien zusammen lernen, wie man mit dem Hund umgeht. Daher ist die Demo der Hundeschulen so wichtig. Es geht uns nicht um finanzielle Verluste, sondern darum, dass wir nicht helfen dürfen. Und ein weiterer Aspekt treibt mich noch um: Die Züchter können die Nachfrage kaum erfüllen. Das fördert den illegalen Handel und dubiose Online-Geschäfte. Es ist wirklich traurig."

© SZ vom 06.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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