Mein Europa:Wohltuend entkrampft

Für Roswitha Beyer ist Österreich durch den EU-Beitritt offener geworden.

Von Matthias Köpf

28 Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union seit der vorerst letzten Erweiterung im Jahr 2013. Am 25. Mai dürfen gut 507 Millionen Menschen die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu wählen. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit suchen. Auch im Landkreis leben Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Schon mit Petia Philippis Namen machen es sich die Deutschen eigentlich zu einfach. Denn mit dem EU-Beitritt Bulgariens 2007 bekam auch das kyrillische Alphabet offiziellen EU-Status, als drittes neben dem lateinischen und dem griechischen. Ihren Vornamen könne man aber auf mehrere Weisen aus dem Kyrillischen transkribieren, sagt Petia Philippi (Foto: Pöstges), vor deren Familiennamen in Bulgarien eigentlich noch die flektierte Form des Vornamens ihres Vaters gehören würde, also "Dobreva". Dafür müsste in deutscher Korrektheit ganz vorn noch ein "Dr. ing." stehen, denn die Verfahrenstechnikerin hat 2005 in Hannover promoviert, ehe Personalberater sie für die Entwicklungsabteilung beim Dichtungshersteller Burgmann in Wolfratshausen anwarben.

Perfekt Deutsch konnte sie da längst, von den Praktika in Erlangen, Leverkusen und Hannover, vom überwiegend deutschsprachigen Studium in Sofia, das die Uni Hamburg dort mitgestaltet hat, und vom Fremdsprachengymnasium in ihrer Heimatstadt Sliwen. Von dort stammt auch der einstige HSV-Fußballer Yordan Letchkov, der Deutschland 1994 aus dem WM-Viertelfinale geschossen und es später in Sliwen zu zwei Amtszeiten als Bürgermeister und zu zwei Jahren Gefängnis wegen Amtsmissbrauchs gebracht hat. Gerade diese Dinge seien unter dem Druck der EU viel besser geworden, sagt Petia Philippi.

Vor dem EU-Beitritt war die Einreise nach Deutschland trotz ihres Status als Studentin jedes Mal mühsam, sie brauchte Einkommensnachweise, ein Visum und viel Geduld, während es etwa Erntehelfer viel einfacher hatten. Dabei war Petia Philippi schon damals eine dieser hochqualifizierten Fachkräfte, von denen die Wirtschaftspolitiker immer reden. Dass die Bulgaren hierzulande gerade für allerlei Populismen herhalten müssen, findet sie erstens nicht schön und zweitens falsch, denn "die kommen wollten, sind längst da".

Auch wenn inzwischen vieles einfacher ist, so hat die EU noch nicht alles normiert. So sind ihre dreijährige Tochter Jana und der zwei Jahre jüngere David vorerst nur deutsche Staatsbürger wie Petia Philippis Mann, denn in Bulgarien müssen alle Papiere alle zehn Jahre erneuert werden, was aus der Ferne schwierig ist. Auch Briefwahl gibt es mangels staatsbürgerlichen Vertrauens nicht. Für die weite Reise hat Petia Philippi aber keine Zeit, und so wird sie am Sonntag erstmals einen deutschen EU-Parlamentarier wählen.

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