Mein Europa:Überschwängliche Herzlichkeit

Maria Helena Cristina Bule-Schöferl kam als Kind aus Portugal nach Deutschland. Damals wehrte sie sich noch dagegen, heute will sie gar nicht mehr zurück.

Von Louisa Fanai

28 Mitgliedsstaaten hat die EU seit der vorerst letzten Erweiterung im Jahr 2013, und gut 507 Millionen Einwohner. Vom 22. bis 25. Mai werden die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu gewählt. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit suchen. Auch im Landkreis leben Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Dass Maria Helena Cristina Bule-Schröferl (Foto: hap) keine gebürtige Bayerin ist, merkt man erst, wenn sie von ihrer Heimat Portugal erzählt. In dem kleinen Dörfchen Baixa da Banheira, das in der Region Alentejo liegt, habe sie im Alter von zwei bis fünf Jahren bei ihren Großeltern gelebt: Kurz nach Helenas Geburt ging ihre Mutter nach Deutschland, nach Ismaning. Die Arbeitssituation in Portugal sei aussichtslos gewesen. Der Vater leistete seinen dreijährigen Militärdienst in Portugal ab, anschließend ging auch er nach Deutschland.

Da ihre Eltern sich zunächst eine feste Arbeitsstelle suchen mussten, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, musste Helena bei ihren Großeltern bleiben, mit denen sie sich auch heute noch tief verbunden fühlt. Unter Tränen erzählt sie von dem Band, die sich in dieser Zeit zwischen ihr und den Großeltern entwickelte. Ihre Großeltern vermisst sie noch immer sehr. 1973, als sie fünf Jahre alt war, sollte Helena nach Deutschland nachkommen. Ihre Eltern hatten ihr Flugtickets geschickt, sie aber weigerte sich in ein Flugzeug zu steigen, bis die Mutter sie schließlich in Portugal abholte.

"Ich habe mich echt alleine gefühlt", sagt sie über die erste Zeit in Ismaning. "Ich habe es als Kind als sehr schlimm empfunden in Deutschland zu leben." Das lag zum einen an den fehlenden Sprachkenntnissen: Das kleine Mädchen sprach zunächst kein einziges Wort Deutsch. Als sie die Sprache etwas besser konnte, sei sie in der Schule wegen ihres portugiesischen Akzents gehänselt worden. In Deutschland sei zum einen alles anders gewesen. "Zu Hause im Dorf sind meine Freunde und ich immer auf der Straße rumgerannt, da gab es keine Autos - nur ein paar Eselswagen." In Deutschland konnte sie nicht mehr so unbeschwert spielen. Mit ihrem Mann und den beiden Kindern lebt sie Schäftlarn.

Auch heute findet Helena die Portugiesen viel lockerer als die Deutschen. "Die genießen das Leben viel mehr." Egal, wie gut man sich kenne, "sie busseln immer recht gern rum". Das habe ihren Mann, der Deutscher ist, bei Urlauben in Portugal anfangs sehr verwirrt. Die Deutschen hätten oft Probleme mit dieser überschwänglichen Herzlichkeit. Dass Portugal der EU angehört, findet sie gut, vor allem da sie seither keine Aufenthaltsgenehmigung mehr braucht.

Ein- bis zweimal im Jahr fährt Helena in ihre alte Heimat und genießt dort vor allem "die Sonne und das Meer". Heute sei es nicht mehr so schlimm, wieder nach Deutschland zurück zu müssen. Denn in Portugal leben möchte Helena heute nicht mehr. Die Lebensqualität sei in den vergangenen Jahren schlechter geworden. Die medizinische Versorgung sei unzureichend und teuer, die Rente gering und Arbeit zu finden auch nicht einfach. Sie sei das deutsche Leben gewohnt und profitiere davon. Nicht umsonst sagten die Portugiesen, wenn jemand etwas sehr akkurat gemacht habe: "Das war jetzt aber deutsch!"

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