Mein Europa:Holländer lachen über sich selbst

Gerald Kreuwel findet Wahlen das beste an der Demokratie

Von Suse Bucher-Pinell

28 Mitgliedsstaaten hat die EU seit der vorerst letzten Erweiterung im Jahr 2013, und gut 507 Millionen Einwohner. Vom 22. bis 25. Mai werden die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu gewählt. Die Grenzen sind offen. Im Landkreis leben Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Das war ihm neu: Dass Deutsche gerne Witze über Holländer und ihre Wohnwagen machen, das hat Gerald Kreuwel (Foto: man) erst in Deutschland mitbekommen. Sich darüber ärgern? Warum denn? "Das ist doch lustig", sagt der gebürtige Niederländer, der mit seiner Familie seit zehn Jahren in Bad Tölz lebt. "Wir können über uns selber lachen und nehmen uns auch mal gern auf den Arm." Von den Deutschen kenne er das nicht so sehr. Aber dafür gingen die Deutschen sehr viel höflicher miteinander um als die Holländer. Ihm falle das besonders auf, wenn er mal wieder zu Hause in Holland sei und den Vergleich habe. Die Deutschen seien vorsichtig mit dem, was sie sagten. Holländer dagegen seien sehr direkt, dafür nicht nachtragend.

Dass Kreuwel irgendwann ins Ausland gehen würde, zeichnete sich schon während seines Agrarwissenschaftsstudium an der Universität Wageningen in der Provinz Gelderland ab. Schon damals wusste er, dass er später international leben und arbeiten wollte. Vor die Entscheidung gestellt, für seine Firma, die Software für geografische Informationssysteme herstellt, in die USA oder nach Deutschland zu gehen, entschied sich die Familie für das Nachbarland. Das hatte auch damit zu tun, dass Deutschland ein Teil Europas ist. "Irgendwann möchte ich Europäer sein", sagt Kreuwel. Dazu gehöre vor allem, als holländischer Bürger in Deutschland den Landtag und den Bundestag wählen zu dürfen. Wahlen seien mit das Schönste an einer Demokratie. Keine Frage, dass er am Sonntag mit abstimmt. Die zu erwartende geringe Wahlbeteiligung tue ihm regelrecht weh.

Nach zehn Jahren in Deutschland bleibe er vermutlich. "Wir haben hier mehr Freunde und Bekannte, als wir es in Holland je hatten." Mit offenen Armen seien sie in Deutschlandempfangen worden, was sicherlich auch damit zu tun habe, dass sie als Mitglied in einem holländischen Lions-Club den Tölzer Club als Anlaufstelle hatten und einfach nur wechseln konnten. "Lions war der Wegbereiter", sagt er. Klagen darüber, dass die Deutschen verschlossen seien, könne er nicht bestätigen. Wenn er bei Kongressen seiner Firma moderiere, komme seine Art gut an und manche sagten dann: Das ist unser Rudi Carell. Der TV-Entertainer war in Deutschland weitaus beliebter als in seiner Heimat.

"Was wir von unserer Kultur mitbringen, empfinden die Deutschen offenbar als angenehm", sagt Kreuwel. Holländer würden beispielsweise schneller Einladungen aussprechen als Deutsche. In Europa gebe es noch etliche Bereiche, die nach einer Harmonisierung verlangten. Beispielsweise das Schulsystem oder das Renten- und Versicherungssystem. "Die wesentlichen Dinge werden nicht geregelt", beklagt Kreuwel. Stattdessen werde über die Krümmung der Gurke geredet. Auch einen einheitlicher Aufbau der Pässe fände er gut. Weil auf seinem holländischen keine Adresse steht, muss er öfter eine Aufenthaltsbestätigung vorlegen.

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