Mein Europa:"Eine grandiose Geschichte"

Lesezeit: 2 min

Der Italiener Maurizio Faganello ist überzeugter Europäer.

Von Wolfgang Schäl

28 Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union, als vorerst letztes Land kam 2013 Kroatien dazu. Vom 22. bis 25. Mai dürfen die gut 507 Millionen Menschen das Europa-Parlament neu wählen. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit sichern. Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten leben auch im Landkreis. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Maurizio Faganello, der Inhaber des Eiscafés Cristallo, ist Wolfratshauser mit Leib und Seele, "ich bin verliebt in diese Stadt", sagt er. "Es ist die Stadt, in der ich meine Frau kennen- und lieben gelernt habe." Was ihn nicht daran hindert, ein ebenso überzeugter Europäer zu sein. Die Sache mit der Nationalität ist bei ihm ein wenig verwirrend. Er hat die italienische Staatsbürgerschaft, geboren wurde er allerdings in Traunstein. Er hat einen italienischen Vater, der aus dem venezianischen Longarone stammt, eine deutsche Mutter, und einen italienischen Pass. Bis zum 18. Lebensjahr hat er in Italien gelebt und dort eine Ausbildung als Bautechniker und Bauzeichner absolviert, bis sein Vater Renato 1989 die Wolfratshauser Eisdiele eröffnete.

Verheiratet ist er mit einer Amerikanerin, die als Nicht-Europäerin die deutsche Staatsbürgerschaft, anders als Faganello, nicht annehmen kann. Dass er selbst auf einen zusätzlichen deutschen Pass verzichtet, begründet der 42-Jährige so: "Ich habe hier keine Nachteile davon, Italiener zu sein." Das betrifft auch die Europawahl, an der er "selbstverständlich teilnehmen" wird. Er bekommt die Wahlunterlagen aus Italien zugeschickt, füllt sie in Wolfratshausen aus und schickt sie wieder zurück.

Seine Söhne Fabio und Luca sind 1996 und 1997 in Wolfratshausen geboren, "im Kreiskrankenhaus, das war mir wichtig", sagt Faganello, in dessen Familie fast nur Deutsch gesprochen wird, weil es die Kinder mit dem Italienischen nicht so haben - "meine Söhne sind hundertprozentige Wolfratshauser". Er selbst ist sprachlich vielseitig: Er kann außer Deutsch und Italienisch Englisch, Portugiesisch und, ein wenig, auch Spanisch. "Ich fühle mich hier wahnsinnig wohl", versichert der kontaktfreudige Café-Inhaber, "und deshalb versuche ich auch, etwas davon zurückzugeben." Er tut dies in verschiedenster Form.

Sechs Jahre hat er für die Bürgervereinigung dem Stadtrat angehört, er ist Vorsitzender des Jugendfußball-Fördergemeinschaft Wolfratshausen - "die Jugend und der Sport liegen mir sehr am Herzen"- und engagiert sich in weiteren Vereinen. "Man muss sich mit seiner Stadt identifizieren. Ich fühle mich aber ebenso als Europäer."

Natürlich könne man an Europa viel Kritik üben, insbesondere an der Bürokratie. "Eine grandiose Geschichte" sei der Zusammenschluss der Nationen trotzdem. "Es tut geistig gut, wenn es gelingt, so viele Völker unter einen Hut zu bringen, man kann viel lernen, jede Kultur wird durch den Kontakt mit anderen lockerer, und schließlich ist alles so vernetzt, dass das Staatsdenken nicht mehr so wichtig ist."

Man müsse Europa als Ganzes sehen. "Um zusammenzuwachsen, muss man viele Kompromisse eingehen", findet Faganello, unter anderem mit Blick auf die Milliarden-Investitionen, die nötig waren, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch Griechenlands zu verhindern. Die sieht er als "eigentlich nicht gerechtfertigt " an. Aber im Interesse Europas sei es nötig gewesen. Ganz wichtig sei vor allem der Frieden, den die europäische Einigung seit 60 Jahren garantiere. Gerade deshalb bereiten Faganello zwei Dinge Sorgen: die niedrige Wahlbeteiligung bei den Europawahlen und die wachsende Zahl an Euro-Kritikern.

© SZ vom 14.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: