Mein Europa:Die Deutschen sind ganz anders

Der Tölzer Martin Englert setzt auf Partnerschaften, um Vorurteile abzubauen und Verständnis zu wecken.

Von Suse Bucher-Pinell

28 Mitgliedsstaaten hat die EU seit der vorerst letzten Erweiterung im Jahr 2013, und gut 507 Millionen Einwohner. Vom 22. bis 25. Mai werden die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu gewählt. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit suchen. Im Landkreis leben Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten. Die SZ hat Mitbürger aus 22 EU-Ländern vorgestellt, zuletzt kommt nun ein Deutscher zu Wort.

Städtepartnerschaften und der europäische Gedanke - zwei Dinge, die für Martin Englert (Foto: man) bestens zusammenpassen. Er ist der Tölzer "Mister Städtepartnerschaft", der mit dem vor zehn Jahren gegründeten Partnerschaftsverein enge Beziehungen zur französischen Stadt Vichy und dem toskanischen San Giuliano Terme in der Nähe von Pisa pflegt. Englert lebte seine Herzensangelegenheit aber schon davor, als städtischer Referent für Kultur- und Städtepartnerschaften, mit einem Partnerschafts-Komitee an seiner Seite. Das ist 18 Jahre her, die Partnerschaft mit Vichy bestand damals schon 30 Jahre lang. Die Aussöhnung mit Frankreich ist für Englert noch immer eine "elementar wichtige" Aufgabe. Jüngere Franzosen hätten inzwischen kein Problem mehr mit Deutschen.

Englert sieht darin den Sinn einer Städtepartnerschaft. "Die Bevölkerung kennen- und ihre Eigenheiten verstehen lernen, das ist das Wichtigste", sagt er. Und Frankreich habe nun mal eine "irre politische Bedeutung" für Deutschland. Auch das nicht nur vorteilhafte Bild vieler Italiener von Deutschen, geprägt von Touristen, könne eine Partnerschaft korrigieren. "Wir führen uns nicht auf, wir zeigen, dass es auch anders geht", sagt Englert. Den Italienern falle das positiv auf, das freue ihn.

So sehr eine Städtepartnerschaft die Zusammengehörigkeit fördern kann, von der EU fühlt sich Englert nicht übermäßig unterstützt. Ein einziges Mal habe der Verein eine finanzielle Förderung beantragt. Für damals 3000 oder 4000 Mark hätte allerdings ein 36 Seiten umfassender Antrag ausgefüllt werden müssen. "Es herrscht ein sehr großer Bürokratismus", klagt Englert. Für ihn sind viele Fördermaßnahmen außerdem undurchsichtig.

Warum erhalte beispielsweise die Landwirtschaft in Frankreich mehr Subventionen als die in Deutschland? Warum würden vor allem Großbetriebe unterstützt und die kleinbäuerliche Landwirtschaft wie im Oberland komme schlecht weg?, fragt er sich. Und wo überhaupt blieben die Milliarden Euro, die Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber als Chefberater der Kommission zum Bürokratieabbau eingespart habe?

Englert, der sich zuallererst als Bayer fühlt, freut sich, dass die Grenzen offen sind, die er früher als Hemmschwelle empfunden habe. "Offene Grenzen sind ein Stück Freiheit", sagt er. Was er aber unbedingt erhalten möchte, ist die kulturelle Vielfalt in Europa, die leide, wenn die EU zu viele Gesetze erlasse, die "alles über einen Kamm scheren". Auch gute Eigenschaften eines Landes dürften anderen nicht aufgedrückt werden.

Wählen wird er am Sonntag ganz sicher, auch wenn es ihm "richtig stinkt" dass die Lobbyisten in Brüssel so viel Einfluss haben. Die EU sollte seiner Meinung nach das Subsidiaritätsprinzip beachten und erkennen, dass das Meiste vor Ort gelöst werden könne. Er wünscht sich, dass jedes Land seine besten Leute nach Brüssel schickt.

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