Beim Kloster Reutberg findet am Sonntag, 15. September, der oberbayerische Waldtag statt. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Holzkirchen will dort mit 110 Ausstellern die Vielfalt der Forstwirtschaft ins Rampenlicht rücken – und hat im Vorfeld symbolisch eine Mehlbeere gepflanzt. Ein eher unbekannter Vertreter des Waldes, der seit seiner Ernennung zum Baum des Jahres 2024 schlagartig im Fokus steht. Warum, das erklärt Korbinian Wolf, Bereichsleiter Forsten beim AELF Holzkirchen.
SZ: Herr Wolf, die Mehlbeere ist der Baum des Jahres 2024 – wie bekommt ausgerechnet ein eher unattraktives Bäumchen diesen Titel?
Korbinian Wolf: Sie ist ein Baum, aber kein ganz riesiger – bei uns mit bis zu 15 Metern. Aus meiner Sicht hat sie den Titel verdient, weil sie für die Herausforderungen, die das Klima bringt, bestens geeignet ist. Die Mehlbeere ist sehr trockenheitstolerant, bildet ein sehr großes Wurzelwerk aus und kommt mit Trockenheit und Hitze gut zurecht. Dazu kommt eine große Temperaturreichweite von minus 30 bis plus 30 Grad.
Viele Menschen kennen die Mehlbeere gar nicht – was ist das für ein Gewächs?
Das ist ein Baum, der relativ alt werden kann, also bis zu 200 Jahre. Wie kann man die Blätter jetzt beschreiben? Eher ein bisschen ovale, spitzere Blätter. Die Mehlbeere macht auch einfach ein schönes Bild aufgrund ihrer Früchte und ihrer Blätter, die dann im Herbst wunderbar gefärbt sind. Sie blüht auch schön im Frühjahr und Frühsommer.
Mehlbeere, Vogelbeere – was stimmt denn jetzt?
Die Vogelbeere ist ein ganz anderer Baum. Der hat mit der Mehlbeere gar nichts zu tun. Es ist die Frage, warum die Mehlbeere „Mehlbeere“ heißt: Es kann von den Blättern kommen, weil die unten diese Härchen haben und das weißlich-mehlig ausschaut. Was ich aber auch schon gehört habe: Dass man früher wahrscheinlich die Früchte getrocknet und als Mehlersatz verwendet hat. Aus einem von den zwei Gründen ist wahrscheinlich der Name entstanden.
Wälder stehen unter Druck – Klimawandel, Schädlinge, Monokulturen. Welche Rolle spielt die Mehlbeere in diesem Spannungsfeld?
Das ist so, dass die Mehlbeere teilweise bewusst gepflanzt wird, um einen sogenannten Vorwald zu bekommen – damit der Boden festgehalten wird. Wenn keine Bäume vorhanden sind, dann sind die Klimaextreme sehr extrem. Also in der Nacht sehr kalt und am Tag sehr heiß. Die Mehlbeere kommt mit trockenen, kargen Standortbedingungen zurecht. Unter diesen Mehlbeeren können dann andere Baumarten wie Buche, Tanne oder Fichte Fuß fassen. Die Mehlbeere wird zur Pionierpflanze. Wirtschaftlich hat die Mehlbeere im Wald kaum eine Bedeutung, weil sie einfach von der Größe nicht interessant ist.
Ihr Team hat im Vorgriff des oberbayerischen Waldtags eine Mehlbeere gepflanzt. Kann solch ein symbolischer Akt etwas bewirken oder bleibt es bei der Geste?
Es soll eine größere Allee entstehen, die vom Kloster Reutberg gepflanzt wird. Und wir haben den ersten Baum gemeinsam gesetzt, als Zeichen für den Waldtag. Aus unserer Sicht passt die Mehlbeere gut, weil sie für die Vielfalt im Wald steht. Genau das wollen wir mit dem Waldtag erreichen, dass man die Vielfalt der Forstwirtschaft zeigt.
Wenn Sie an die nächsten zehn Jahre denken: Essen wir dann alle Mehlbeermarmelade aus den Wäldern vor unserer Haustür?
Nein, ich glaube nicht. Weil die Mehlbeere immer eine untergeordnete Rolle spielt bei uns in den Wäldern – zwar eine ökologisch wichtige Rolle, aber mehr wird da nicht passieren mit der Mehlbeere.