Mediziner-Mangel:Viele Babys, keine Ärzte

Geburtenrate 2010

2015 kamen 547 Kinder in der Tölzer Klinik und 238 in Wolfratshausen zur Welt.

(Foto: Waltraud Grubitzsch)

Politischer Aschermittwoch der SPD: Klinik-Chef Joachim Ramming will nicht nur die Geburtshilfe in Bad Tölz erhalten, sondern sogar zur Gynäkologie-Abteilung ausbauen - wenn er denn Mediziner fände.

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Im vorigen Jahr ist die Geburtshilfestation der Asklepios-Klinik in Turbulenzen geraten: Belegärzte fielen aus, dennoch mussten rund 500 Geburten bewältigt werden. Laut Geschäftsführer Joachim Ramming habe es schon Zweifel gegeben, wie es weitergehen solle. Beim Politischen Aschermittwoch der SPD war seine Botschaft jedoch klar: Die Geburtshilfestation soll auf jeden Fall erhalten werden. Denn trotz angespannter Personalsituation sei die Zahl der Geburten stabil geblieben, und man verfüge über eine erst 2011 renovierte Entbindungsstation "zum Wohlfühlen". Zudem plant der Klinikchef sogar den Aufbau einer eigenen Hauptabteilung, die neben Geburten auch gynäkologische Operationen vornehmen soll.

Leicht wird das nicht werden, denn es gibt ein Problem: Personal zu finden. Sowohl bei den Belegärzten, die Bereitschaftsdienste an der Klinik leisten, als auch bei angestellten Fachärzten, gebe es einen eklatanten Mangel, sagte Ramming. In Deutschland seien zurzeit 80 Chefarztpositionen in der Gynäkologie unbesetzt. Auch, weil vor allem Frauen diesen Fachbereich wählen, in den Kliniken aber oft Teilzeitmodelle und Betriebskindergärten fehlen. Dennoch soll es auch weiterhin "gebürtige Tölzer" geben, versicherte Ramming beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Kolberbräu.

Weil es sich um eine "Infoveranstaltung" und nicht um einen politischen Schlagabtausch handeln solle, hatte SPD-Ortsvorsitzende Camilla Plöckl den Termin nicht abgesagt. Etwa 20 Interessierte waren gekommen, darunter Ärzte und Hebammen der Asklepios-Klinik.

Diese habe unruhige Zeiten hinter sich, wie Ramming sagte: Nach dem Tod von Dr. Bernhard Schwaiger und dem Ausscheiden von Dr. Wolfgang Oettle im Dezember fehlten zwei langjährige Belegärzte. Im November konnte mit Dr. Florina Rummel die Stelle von Schwaiger neu besetzt werden; sie teilt sich die Aufgaben mit Dr. Stephan Krone. "Eine Geburtsabteilung mit zwei Belegärzten zu führen ist ein Kraftakt", sagte Ramming. Noch im Sommer sei er guter Hoffnung gewesen, vier Belegärzte zu finden. Das sei nicht gelungen. Man habe im ganzen Umland Gynäkologen angeschrieben, aber nur eine Rückmeldung bekommen: "Von einem 62-jährigen Arzt aus der Nähe von Hamburg."

Um die Belastung zu reduzieren, hat Ramming zwei Fachärzte als Vertretungen für Wochenend- und Urlaubsdienste gefunden. Die Gründe für die mangelnde Bereitschaft von niedergelassenen Gynäkologen, sich als Belegärzte an einer Klinik zu verpflichten, liegen auf der Hand: Neben der eigenen Praxis müssen sie 24 Stunden und an jedem zweiten Wochenende in Rufbereitschaft sein. Dazu kommt ein rapide gestiegener Versicherungsbeitrag, den Belegärzte im Bereich Gynäkologie zahlen müssen. Laut Florina Rummel beläuft sich dieser auf 52 000 Euro jährlich. Damit müssen Geburtsschäden, im schlimmsten Fall auch lebenslang, abgedeckt werden.

Mediziner-Mangel: Asklepios-Klinik-Chef Joachim Ramming stellt beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Tölzer Kolberbräu seine Pläne vor.

Asklepios-Klinik-Chef Joachim Ramming stellt beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Tölzer Kolberbräu seine Pläne vor.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Neben der problematischen Personalsituation sieht Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler), der als Zuhörer gekommen war, für die Kliniken im Landkreis eine massive Konkurrenz durch Einrichtungen mit angeschlossener Kinderklinik. Dazu gehört etwa Starnberg, das laut Niedermaier schon jetzt den größten Teil der Wolfratshauser abziehe.

Insgesamt gab es im Vorjahr 1350 Geburten zwischen Lenggries und Icking, doch nur rund die Hälfte der Schwangeren entbanden tatsächlich im Landkreis: 547 in der Tölzer Asklepios-Klinik, 238 in der Kreisklinik Wolfratshausen. Eine Zusammenlegung der Geburtshilfeabteilungen von Tölz und Wolfratshausen sei nicht möglich, sagte Niedermaier. Laut gesetzlicher Regelung müsse ein Belegarzt innerhalb von zehn bis 15 Minuten bei einer Geburt im Krankenhaus sein. "Das schafft man nicht von Tölz nach Wolfratshausen oder umgekehrt."

Belegarzt Stephan Krone sagte, er beobachte einen Trend weg von der klassischen Geburtshilfestation. Dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis werdender Eltern kämen offenbar pränatale Zentren entgegnen, wie sie auch von Fachkollegen immer häufiger gefordert würden. Auf der anderen Seite seien Alternativen wie Geburtshäuser vor allem in Städten "en vogue". Krone warb darum für das Modell einer "Geburtshilfestation".

Er sei vor 23 Jahren als Gynäkologe nach Bad Tölz gekommen und habe an der dortigen Klinik das vorgefunden, was sich die meisten werdenden Eltern wünschten: Eine persönliche Betreuung, starke Hebammenbindung und erfahrene Ärzte für den Fall einer Risikosituation während der Geburt. "Das entspricht dem Standard einer Uniklinik", sagte Krone. Droht eine Frühgeburt oder brauchen Neugeborene eine intensivmedizinische Betreuung, werden sie nach Garmisch verlegt.

Die Klinik

Die ehemals städtische Bad Tölzer Klinik gehört seit dem Jahr 2002 zur Asklepios-Gruppe. Sie ist akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität und neuerdings auch der Technischen Universität München. Das jetzige Gebäude wurde vor 26 Jahren in Betrieb genommen.

Die Klinik verfügt über 270 Betten und versorgt in den neun Abteilungen 12 000 stationäre Patienten pro Jahr. Derzeit arbeiten 550 Mitarbeiter und 70 Auszubildende in der Klinik mit angeschlossener Berufsfachschule. Zum Personal gehört ein Team von neun Hebammen.

Das Krankenhaus ist ausgewiesener Notfallstandort mit einem eigenen Rettungshubschrauberlandeplatz. Seit dem 1. Juli vorigen Jahres ist Joachim Ramming Geschäftsführer der Asklepios-Klinik. schp

Landrat Josef Niedermaier äußerte sich skeptisch über den Plan einer Einrichtung einer eigenen Hauptabteilung: Eine solche nach dem Vorbild von Starnberg oder Agatharied aufzubauen, sei mit den momentanen finanziellen Mitteln nicht möglich. Das sah Belegärztin Rummel anders: Gerade die Möglichkeit, dort neben Geburten auch gynäkologische Operationen durchzuführen, sei in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: