Vier Meter lang, eineinhalb Meter hoch, verspiegelte Scheiben. Im ersten Moment, auch nicht im zweiten und dritten lässt sich erkennen, welchen Zweck das Gerät in dem Laborgebäude hat. Es handelt sich um ein vollautomatisches Massenspektrometer. Entwickelt wurde es von Roche, hauptsächlich an den Standorten Penzberg und München, und soll die Labordiagnostik revolutionieren. Denn das Spektrometer ist nicht nur schnell, sondern vor allem hoch sensitiv. Was die Analysen von diagnostischen Tests noch präziser macht.
Wie sensitiv das „Cobas i 601“ ist, lässt sich an einem anschaulichen Beispiel erklären: Würde man die Allianz-Arena in München randvoll mit blauen M&M-Schokobonbons füllen und dazwischen irgendwo ein einziges rotes verstecken, würde das neue Massenspektrometer mit einem entsprechenden Test dieses treffsicher aufspüren können. Und nicht nur das: Würde man zu dem roten M&M noch ein orange-farbenes gesellen, könnte das Gerät diese beiden trotz ihrer Ähnlichkeit locker unterscheiden.
Schneller, sensitiver und präziser
Tobias Franz stellte das neue Laborgerät jetzt beim Jahresmediengespräch im Penzberger Roche-Werk vor. Er ist „International Business Leader Mass Spec Roche Penzberg“, was man mit „globaler Marketingleiter für das Massenspektrometer“ übersetzen könnte. Er hat maßgeblich mit einem Team an der Entwicklung des „Cobas i 601“ mitgewirkt. Etwa zehn Jahre lang dauerte der Prozess - von der Idee, was das Gerät können soll, bis zum Bau durch den Kooperationspartner Hitachi.
Massenspektrometer, also das Messen der Masse von Molekülen (anfangs Atome), ist keine neue Technologie. 1918 wurde das erste moderne Massenspektrometer gebaut. Doch bei der Routinediagnostik werde diese Technologie kaum verwendet, da sie einen hohen Personalbedarf mit entsprechendem Fachwissen braucht, erklärte Franz. Dort setzt die Roche-Entwicklung an. In Zusammenarbeit mit „Kunden“ habe man ein neues System ersonnen, so Franz: weniger personalintensiv, mit einem höheren Durchsatz von Tests und in vorhandene Laborlandschaften integrierbar.
Nach der Blutabnahmen bei der Patientin oder dem Patienten liegt das Ergebnis nach ein bis zwei Stunden vor. Das kann über Leben und Tod entscheiden. Franz nannte als Beispiel die Behandlung mit Antibiotika. Überdosiert, könne das gravierende Folgen haben. Daher neigten Ärzte dazu, Antibiotika in niedriger Dosis zu verabreichen. Was wiederum dazu führen könne, dass Bakterien nicht gestoppt würden oder sich multiresistente Keime bildeten.

Von der Präzision und Schnelligkeit könnten auch Brustkrebspatientinnen profitieren, sagte Franz. Bei ihnen müsse der Estradiol-Spiegel regelmäßig kontrolliert werden. Estradiol zählt mit Progesteron zu den wichtigsten weiblichen Sexualhormonen. Ob ein Krebsmedikament wirkt, kann über einen Estradiol-Test nachgewiesen werden. Ist der Hormonspiegel hoch, schlägt die Therapie nicht an. Mit dem neuen Massenspektrometer können künftig schon geringere Estradiol-Mengen gemessen und damit die Medikamente früher angepasst werden.
Das neue Massenspektrometer kann viele verschiedene Tests, sogenannte Essays, auswerten. 40 wurden bereits entwickelt, weitere 20 sollen in diesem Jahr folgen. Der Einsatzbereich erstreckt sich über Tumorerkennung bis zur Messung von Hormonen oder Vitaminen und vielem mehr. Ende Januar 2025 kam „Cobas i 601“ in Deutschland auf den Markt. 50 Geräte, hofft Roche, in diesem Jahr weltweit zu verkaufen, zehn davon in Deutschland. Einen Monat nach Markteinführung habe es schon drei Interessenten gegeben, so Franz. Ein „Cobas i 601“ steht in der Universitätsklinik Charité in Berlin.
394 Millionen am Standort im Jahr 2024 investiert
Auch Werkleiter Paul Wiggermann hatte Positives zu berichten. Von den Gesamtinvestitionen von Roche Deutschland in Höhe von 653 Millionen Euro seien im vergangenen Jahr 394 Millionen Euro nach Penzberg geflossen. Das sei ein „tolles Zeichen“ für den Standort, sagte Wiggermann. Ende Oktober soll das neue LEAP-Gebäude (250 Millionen Euro) fertiggestellt werden, in welches das Cobas-Team einziehen werde. Die Anzahl der Mitarbeitenden bleibe konstant, berichtete der Werkleiter. Ende 2024 betrug sie rund 7700. Erhöht wird die Anzahl der Auszubildenden auf 120 neue Azubis pro Jahr. Bei drei Jahrgängen werden es 2027 insgesamt 360 Azubis in Penzberg sein.
Roche in Deutschland hat im Geschäftsjahr 2024 einen Gesamtumsatz von 8,5 Milliarden Euro und ein Umsatzwachstum von 2,6 Prozent im Vergleich zu 2023 erzielt. 18 256 Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen deutschlandweit. Der Umsatz der Diagnostik-Sparte wuchs nach Firmen-Angaben um rund ein Prozent auf 812 Millionen Euro. In der Pharma-Sparte sank der Umsatz um 0,7 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro, was mit einem starken Preisdruck und Parallelimporten begründet wurde.