Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft in Penzberg:Chance und Risiko

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Neue Niederlassung in Penzberg: Das Energieunternehmen Marvel Fusion treibt den Stadtrat um.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Es ist eine Chance für die Stadt Penzberg und zugleich ein Risiko. Zumindest in Augen einiger Bürger und Stadträte. Weil an diesem Dienstag in nicht öffentlicher Sitzung die Ansiedlung der Firma Marvel Fusion erneut Thema sein wird, melden sich vorab die Fraktionen von Die Grünen/Bündnis 90 und Penzberg Miteinander zu Wort. Grundsätzlich begrüßen sie die Bewerbung des Hightech-Unternehmens, das saubere Energie mittels Lasertechnologie produzieren möchte, für die städtische Industriefläche im Nonnenwald. Doch ehe eine endgültige Entscheidung im Stadtrat fällt, möchten beide Fraktionen weitere Informationen und Sicherheiten.

Marvel Fusion möchte das Verfahren der Trägheitsfusion zur Energiegewinnung kommerziell nutzbar machen. Da das Verfahren noch nicht ausgereift ist, soll als erster Schritt eine Forschungsanlage im Nonnenwald errichtet werden. Danach folgt der Prototyp eines Kraftwerks.

Die Fragen, die sich für die Grünen und Penzberg Miteinander stellen, sind ähnlich gelagert. Beide Fraktionen sehen die Gefahr, dass die Energiegewinnung durch Trägheitsfusion nicht erfolgreich sein könnte, weil daran schon seit Jahren an anderen Forschungseinrichtungen gearbeitet wird. Würde Marvel Fusion Insolvenz anmelden müssen, hegt etwa Grünen-Fraktionssprecherin Kerstin Engel Bedenken, ob die Stadt Penzberg ihr wertvolles Industriegrundstück zurückbekäme. Auch gibt sie zu bedenken, dass Marvel Fusion in den nächsten zehn Jahren als Forschungseinrichtung keinen Gewinn erwirtschaften wird und somit keine Gewerbesteuer zahlt. Die Stadt hingegen müsse wegen der Marvel-Fusion-Mitarbeiter - bei vollem Ausbau sollen 500 neue Arbeitsplätze im Nonnenwald entstehen - für den Ausbau der Infrastruktur viel Geld investieren. Das Fehlen der Gewerbesteuereinnahmen wie insbesondere der knappe Wohnraum in der Stadt treibt beide Parteien um. "Es geht schließlich auch darum, auf Einnahmen verzichten zu müssen, weiterem Druck auf dem Wohnmarkt entgegenzusehen und soziale Versorgung zu stemmen", erklärt Ute Frohwein-Sendl in der Stellungnahme von Penzberg Miteinander. Bis 2028 möchte Marvel Fusion 500 hochqualifizierte Mitarbeiter anwerben, so Frohwein-Sendl. Sie würden "gehobenen Wohnraum nachfragen, was die Preise weiter in die Höhe treiben wird".

Eine weitere große Sorge ist die Verwendung von radioaktivem Material. Auch wenn Marvel Fusion betont, dass nur wenig entsprechender Abfall anfallen werde, reicht diese Aussage den beiden Fraktionen nicht. "Insbesondere wenn es um Radioaktivität geht, muss aktiv und überzeugend informiert werden. Angesichts der ambitioniert angepriesenen Vorhaben müsste seitens Marvel Fusion deutlich nachgebessert werden, sodass die Akzeptanz der Bürger entstehen kann", sagt Kerstin Engel. Beide Fraktionen sehen noch einen hohen Aufklärungsbedarf.

In der Stadtratssitzung am 24. November sollen laut Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) nicht öffentlich über Vertragsdetails diskutiert werden. Ob Marvel Fusion das Grundstück bekommen wird, wird voraussichtlich im Dezember 2020 entschieden.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2020
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