Mangel an Kreißsälen:Geburtshilfe in höchster Not

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Eine Hebamme schildert einen aktuellen Fall, bei dem es für Mutter und Kind um Leben und Tod ging. An beiden Standorten, in Bad Tölz und Wolfratshausen, bangen Bürger und Fachleute um die Entbindungsstationen.

Von Ingrid Hügenell und Wolfgang Schäl, Bad Tölz-Wolfratshausen

Hebamme Kristina Hasenknopf nennt es das "Horrorszenario der Geburtshilfe": Eine Schwangere bekommt plötzlich starke Blutungen. Sowohl sie als auch ihr ungeborenes Kind sind dadurch in Lebensgefahr, das Baby muss sofort entbunden werden, um beide zu retten. Genau das geschah vorige Woche in Bad Tölz, wie Hebamme Martina Winkler berichtet. Die Mutter wurde glücklicherweise in kürzester Zeit vom Notarzt in die Geburtshilfestation der Tölzer Asklepios-Stadtklinik gebracht. Dort machten die Ärzte einen Notkaiserschnitt, das Neugeborene konnte stabilisiert und in eine Kinderklinik verlegt werden. Mutter und Kind sind wohlauf.

"Dieses Kind und vielleicht auch seine Mutter wären wahrscheinlich die ersten Toten im Landkreis gewesen, hätte es in Tölz keine Geburtshilfe gegeben", schreibt Winkler, die wie Kristina Hasenknopf Hebamme an der Tölzer Klinik ist. Hasenknopf bestätigt Winklers Einschätzung - "Blutungen aus heiterem Himmel" seien lebensbedrohlich, selbst wenn sich die Schwangere in der Nähe einer Klinik befinde. Den dramatischen Fall schilderte Winkler in einem Brief an Landrat Josef Niedermaier (FW), den Tölzer Bürgermeister Josef Janker (CSU) und die Mitglieder des Kreisausschusses. Er liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Verlesen werden durfte er im Gremium nicht - Niedermaier fand ihn "sehr emotional", das würde "die Stimmung beeinflussen", sagte er. Geschrieben hat ihn die Hebamme, um darauf hinzuweisen, dass die Zeit dränge. "Ich musste diesen Brief schreiben, sonst wäre ich geplatzt", sagt Winkler. Die Entwicklung sei fürchterlich. Die Tölzer Abteilung müsse jetzt gerettet werden, sonst sei es zu spät. Denn die Geburtshelfer sind Winkler zufolge auf dem Sprung. Eine Ärztin habe eine andere Stelle angeboten bekommen, der Vertrag eines weiteren Arztes laufe zum 31. März aus. Reaktivieren aber könne man die Abteilung nicht, sagt Winkler. Am 17. März sollen Experten im Kreisausschuss zu Wort kommen; am 24. März über die finanzielle Beteiligung des Kreises an der Tölzer Geburtshilfe entschieden werden.

Die Wolfratshauser fürchten unterdessen, dass die Geburtshilfe der Kreisklinik auf der Strecke bleiben könnte. Das war das einzige Thema bei der Monatsversammlung der Bürgervereinigung (BVW) am Donnerstag. Im Vordergrund steht die Sorge, der Landkreis könne sich mit einer hohen Subvention - die Rede war von 800 000 Euro bis zu einer Million Euro - für die privatwirtschaftliche Tölzer Klinik finanziell verausgaben und damit Wolfratshausen das Wasser abgraben.

Die BVW hatte den Gynäkologen Manfred Stumpfe eingeladen, der seit vielen Jahren als Belegarzt an der Kreisklinik arbeitet und unter dem Schlagwort "Born in WOR" Vorstellungen entwickelt, wie die Geburtshilfe an der Kreisklinik umstrukturiert und erhalten werden könnte. Ein solches Konzept aber könne nicht bis 24. März im Detail ausgearbeitet werden, sagte Stumpfe bei der BVW, man müsse Zeit gewinnen. Sinnvoll wäre es aus seiner Sicht, Kooperationsmodelle mit anderen Kliniken zu verbinden mit Teileinstellungsverträgen für die Wolfratshauser Geburtshelfer. So könne man Einsätze zentral organisieren und die hohen Prämien für die Haftpflichtversicherung, insbesondere für die sechs Beleg-Hebammen, erträglicher gestalten.

Grundsätzlich wurde kritisiert, dass der Landkreis bereit sei, mit Asklepios ein privates Unternehmen zu subventionieren. Stumpfe forderte die Kreisräte auf, sich vor einer Entscheidung die Kosten- und Geschäftspläne von Asklepios zeigen zu lassen. Für Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) ist es schwer nachvollziehbar, warum so viele niedergelassene Ärzte ihre Patienten nicht nach Wolfratshausen überweisen, sondern in andere Kliniken wie Starnberg, die ohnehin überlastet seien. Dies verstand auch eine Mutter von sechs Kindern nicht, die die Qualität der Geburtshilfe an der Kreisklinik in höchsten Tönen lobte: Dort sei ihr jeder Wunsch von den Augen abgelesen worden, sie sehe sich "zutiefst in der Schuld von Dr. Stumpfe und den Hebammen".

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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