Letzter Gottesdient:Abschied eines Friedensarbeiters

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16 Jahre lang war Martin Steinbach evangelischer Gemeindepfarrer in Bad Tölz und Dekan in zwei Landkreisen. Er setzte sich für interreligiösen Dialog ein und gewährte Flüchtlingen Asyl. Nun geht der 65-Jährige in den Ruhestand

Petra Schneider, Bad Tölz

Das Gespräch möchte Dekan Martin Steinbach lieber persönlich als am Telefon führen. Er hat Butterbrezen besorgt und zündet in seinem Büro im evangelischen Gemeindezentrum eine Kerze an. Steinbach nimmt sich Zeit. Gespräche und Begegnungen mit Menschen - das seien die Privilegien seines Berufs, sagt er. 16 Jahre lang war der Unterfranke evangelischer Gemeindepfarrer in Bad Tölz und als Dekan Vorgesetzter für 24 Pastoren in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach. Ende Januar geht der 65-Jährige in den Ruhestand. Er zieht mit seiner Frau nach Iffeldorf, die drei erwachsenen Kinder sind längst aus dem Haus. "Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, nicht am Ort zu bleiben", erklärt Steinbach. "Damit der Nachfolger einen Fuß in die Tür kriegt." Der Nachfolger steht bereits fest - am 7. März tritt Pfarrer Heinrich Soffel aus Pfarrkirchen den Dienst an.

Ganz aufhören will Steinbach nicht. Wenn Not am Mann sei, wolle er gerne Gottesdienste oder Trauerfeiern in der Region übernehmen. Eigentlich hatten er und seine Frau vorgehabt, im Ruhestand nach Unterfranken zurückzukehren. Aber das sei schon länger kein Thema mehr. "Wir sind hier heimisch geworden", sagt der gebürtige Schweinfurter.

Steinbach stammt aus einem "kirchlich geprägten" Elternhaus, der Sonntagsgottesdienst sei selbstverständlich gewesen. Als "Initialerlebnis" für die Aufnahme eines Theologiestudiums nennt er die Begegnung mit einem Bundeswehrseelsorger: Steinbach leistete nach dem Abitur seinen Grundwehrdienst ab, mit allen Schikanen. "Der Pfarrer war für uns da und hat uns den Rücken gestärkt." Ihm habe er nacheifern wollen. Steinbach war Pfarrer in Würzburg, Kitzingen und Schweinfurt, ehe er sich in Bad Tölz bewarb, "wo ich keine Menschenseele kannte". Gereizt habe ihn, dass der Dienst geteilt war, und nicht die Dekanatsaufgaben den Schwerpunkt bildeten. "Denn Gemeindepfarrer zu sein, war mir immer ein Anliegen."

Als er im Juli 2004 anfing, war er für 33 000 evangelische Christen im Dekanat zuständig, inzwischen sind es noch 30 000. Der Schwund spiegle den allgemeinen Trend wider, sei aber im Oberland noch moderat, weil die Kirchenaustritte durch Zuzüge abgefedert würden. Als Protestant sei man im katholischen Bayern in der Diaspora, aber auch die evangelische Kirche profitiere von einer starken, religiösen Tradition in der Region. 30, 40 Besucher kämen stets zu den Gottesdiensten in die evangelische Johanneskirche.

Steinbach bezeichnet sich selbst als "Pragmatiker", das Salbungsvolle ist nicht seine Sache. Er ist einer, für den die praktische Hilfe zählt und weniger die theologische Theorie. Um seine Arbeit und die Impulse, die er gesetzt hat, macht er kein großes Aufhebens. Dazu gehört das interreligiöse Friedensgebet, das zweimal jährlich in der Tölzer Marktstraße mit etwa 100 Teilnehmern stattfindet. Gemeinsam mit Katholiken, Alt-Katholiken und Muslimen, was Steinbach angesichts der vielen muslimischen Geflüchteten in der Region wichtig findet. Der Kontakt zum Vorsitzenden des Tölzer Mevlana-Moschee-Vereins, Menduh Killik, sei "sehr gut". Interreligiöser Dialog und Beziehungen zu Christen in anderen Ländern ist ihm wichtig, das sei "Friedensarbeit". Und so hofft Steinbach, dass sein Nachfolger auch die Partnerschaften zu den sechs Gemeinden in Palästina weiter pflegt, die er auf Geheiß des Dekanatsausschusses "in die Gänge" gebracht habe. Zu Ramallah, Amman oder Jerusalem, wo in den vergangenen Jahren rund 30 Besuche und Gegenbesuche stattgefunden hätten und sich vor allem die evangelische Jugend engagiere. Die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zu erkennen, das empfindet er als Bereicherung. So habe er mit Gästen aus Palästina einmal das Tölzer Seniorenwohnheim "Haus am Park" besucht. "Die haben Bauklötze gestaunt", erinnert er sich. Denn in Palästina gebe es keine solchen Einrichtungen, weil alte Menschen zu Hause in ihren Familien betreut würden.

Martin Steinbach geht Ende Januar in den Ruhestand (Foto: Harry Wolfsbauer)

Fast beiläufig erwähnt Steinbach das Kirchenasyl, das die Gemeinde fünf Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und dem Jemen gewährt hatte, um sie vor der Abschiebung in die jeweiligen europäischen Einreisestaaten gemäß dem Dublin-Abkommen zu bewahren. "Asylhelfer haben uns angesprochen, und da haben wir geholfen." Zwei Flüchtlinge wurden in der Sakristei beherbergt, drei nahm die Familie Steinbach für jeweils gut zwei Monate bei sich zu Hause auf. Kirchenasyl ist eine rechtliche Grauzone; gegen Steinbach wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wieder eingestellt. "Das Landratsamt hat mit Menschlichkeit und Verständnis gearbeitet", sagt er rückblickend. Zu den Geflüchtete habe er teilweise noch Kontakt, alle fünf konnten in Deutschland bleiben. Auch bei der ökumenischen Initiative "Fairtrade-Stadt Bad Tölz" hat sich Steinbach engagiert, aber eher "am Rand", wie er sagt. Maßgeblich getragen werde die Initiative von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat. Sein Werk sind die "Zappelphilipp-Gottesdienste" für die Kleinsten und die jährliche Kinderbibelwoche. Dazu kamen die Aufgaben beim Erwachsenenbildungswerk, bei der Diakonie Oberland oder den beiden evangelischen Kindergärten in Bad Tölz und Bad Heilbrunn. Und "viel Verwaltungskram, den ich nicht vermissen werde". Seine Pläne für den Ruhestand? Eine Weltreise stehe jedenfalls nicht auf der Agenda, sagt Steinbach, "da bin ich zu sehr bei Greta Thunberg". Auch Hobbys habe er keine besonderen. "Mein Beruf hat mich erfüllt."

Der derzeitigen Situation geschuldet findet die Verabschiedung von Dekan Martin Steinbach am Sonntag, 24. Januar, durch Regionalbischof Christian Kopp nur im kleinsten Rahmen statt. Die Gemeindemitglieder haben aber die Möglichkeit, die Gottesdienste an diesem Tag um 9.30 Uhr in der Johanneskirche Bad Tölz und um 11 Uhr in der Christuskirche Bad Heilbrunn zu besuchen, in denen Steinbach jeweils seine Abschiedspredigt halten wird. Um den Gottesdiensten mit begrenzter Teilnehmerzahl beizuwohnen, ist eine Anmeldung im evangelischen Pfarramt unbedingt erforderlich.

© SZ vom 18.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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