Lernprojekt:Von Rehen, Mäusen und Inuit

Lernprojekt: Sophie (links) und Johanna (rechts) zogen mit Kathrin Lichtenauer (2.v.l.) und Christiana Biron in den Wald. Mit dabei: Hund Dari.

Sophie (links) und Johanna (rechts) zogen mit Kathrin Lichtenauer (2.v.l.) und Christiana Biron in den Wald. Mit dabei: Hund Dari.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Was Kinder mit einer Umweltpädagogin und einer Künstlerin im Wald erleben

Von Martin Brjatschak

Benediktbeuern - Die Kinder staunen, als sie die Geweihstange eines Hirsches erblicken. Gespannt hören sie zu, als Kathrin Lichtenauer erklärt, dass die Hirsche das Geweih jährlich abwerfen und ein neues nachwächst. Christiana Biron erzählt, dass die Inuit aus Geweihen Spielzeuge für ihre Kinder schnitzen. Sophie (8) und Johanna (7) sind die ersten beiden Kinder, die bei der neuen "Kinder-Natur-Kunst"-Reihe des Landesbundes für Vogelschutz mitmachen. Dafür sind sie in den Benediktbeurer Wald gekommen, wo ihnen Lichtenauer zeigt, was man in der Natur so alles findet.

Katrin Lichtenauer ist Umweltpädagogin. Sie begleitet seit etwa 15 Jahren Veranstaltungen für den LBV, häufig mit Schulklassen. Ausflüge in die Natur haben einen hohen pädagogischen Wert für Kinder: "Sie dürfen sich neu erleben, wenn sie aus dem Klassenzimmer kommen, sie unterstützen sich", sagt sie. Das aktuelle Projekt begleitet sie ehrenamtlich. Mit dabei ist die Künstlerin Christiana Biron.

Das Motto des Projekts: Spaß in der Natur haben und nebenbei etwas über die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Sagen und Mythen der Inuit erfahren. Das diesmal nur die beiden Mädchen gekommen sind, findet sie nicht schlimm: "Das Projekt ist neu, es hat sich noch nicht rumgesprochen", vermutet Lichtenauer, die aus Königsdorf kommt.

"Die Inuit können die Tierspuren lesen", sagt Biron. "Wir tun heute so, als wären wir bayerische Inuit." Das erste Indiz: Sophie findet eine abgebissene Fichtenzweigspitze auf dem Boden. Die hat ein Eichhörnchen angeknabbert, erklärt Lichtenauer. Doch nicht alles im Wald ist auf Tiere zurückzuführen. Die Kinder entdecken Symbole an den Bäumen. Das seien Markierungen vom Förster, erklärt die Umweltpädagogin. Ein Fuchs verrät seine Anwesenheit durch seinen Kot. "Auf diese Weise markiert er sein Revier", sagt Lichtenauer. Auch bei den Inuit gebe es Füchse, sagt Biron. Die Felle tauschen sie gegen Munition oder Messer.

Die Kinder klettern auf einen Holzhaufen. "Da könnten Igel sein, aber nur, wenn der Haufen schon länger da ist. Sie schlafen ja schon einige Monate", sagt die Umweltpädagogin. Lichtenauer hat nicht nur das Hirschgeweih mitgebracht, sondern auch ein Stück Baumrinde mit einem Muster, das ein Borkenkäfer hineingefressen hatte, und eine Feder. Die Mädchen dürfen raten, welcher Vogel sie wohl verloren hat: eine Elster. Biron weiß eine passende Legende der Inuit. Ein Junge habe an seinem Hut immer eine Vogelfeder gehabt. Als er auf See wegen eines Unwetters die Orientierung verlor, kreiste der Vogel über ihm, zeigte ihm den Weg ans Land und rettete ihm so das Leben. Dann holt Lichtenauer ein angeknabbertes Rehgeweih aus dem Rucksack. "Das ist toll, da es eine doppelte Spur ist", erklärt sie. Denn es zeigt die Anwesenheit eines Rehs und die einer Maus. Sie erklärt, dass Mäuse Kalzium brauchen, aber keine Milch trinken können. Daher nagen sie an Knochen. Danach zeigt sie ein vom Biber angenagtes Holzstück. "Sie benutzen ihre Zähne als Werkzeug", erklärt Lichtenauer. Biron ergänzt: "Wie auch die Inuit." Sie kauten Leder weich. Ihre Werkzeuge fertigten sie aber hauptsächlich aus Knochen, größtenteils vom Wal. Die Rippen würden als Gerüst für das Haus verwendet und dann mit Leder bespannt. "Wie bei einem Zelt", sagt Sophie.

Gleich finden auch die Mädchen Holzunterkünfte - und legen eine Rast ein. Dabei erklärt Biron, wie es zu ihrem ausgiebigen Interesse an den Inuit gekommen ist. "Sie sind Künstler - Überlebenskünstler", schwärmt sie. Bei ihnen gebe es keine Hierarchie, der Mensch stehe nicht über der Natur. Die Inuit bräuchten die Umwelt zum Überleben und schonten sie deswegen. "Im Gegensatz zu unserer Konsumgesellschaft nehmen sie sich nur das, was sie wirklich brauchen." Die Künstlerin ist seit elf Jahren an Projekten mit Kindern beteiligt. Mit der Idee für die aktuelle Veranstaltungsreihe wandte sie sich an den LBV und stieß auf Lichtenauer. Biron sagt: "Ich sage, dass es so ist, und die Kathrin, warum das so ist." Lichtenauer ist wichtig, dass die Kinder "das Hinschauen lernen". Und sie betont: "Es ist keine Lernveranstaltung."

Das nächste "Kinder-Natur-Kunst"-Projekt unter der Leitung Lichtenauers und Birons findet im Mai in Waldram statt. Eingeladen sind Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren.

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