Lenggrieser Geschichte:Vor dem Vergessen gerettet

Heimatmuseum Lenggries

Sepp Wiedemann (l.) und Sepp Wasensteiner (r.) haben den Kobel gebaut, Rudi Kornbichler den Film gedreht, und Museumsleiterin Manuela Strunz präsentiert das alles in einer langfristigen Sonderschau.

(Foto: Manfred Neubauer)

Für die Sonderausstellung "Unterkunft der Waldarbeiter" im Heimatmuseum bauen Lenggrieser Handwerker einen vor Jahrzehnten üblichen Rindenkobel nach

Von Irmgard Grasmüller, Lenggries

Jakob Wiedemann, "Bommer Jak" genannt, kann sich noch gut daran erinnern, wie es war, wenn er als junger Bursche in den Bergen holzte. Dies geschah in den Fünfziger-, Sechzigerjahren immer auf einmal: Kahlschlag. Eine Partie, die aus vier bis acht Waldarbeitern ("Holzer") bestand, rückte aus, um Arbeitswoche für Arbeitswoche im Berg zu verbringen. Zum Übernachten, für die Brotzeit und um sich aufzuwärmen, bauten sie einen Rindenkobel. Wie so ein Verschlag aufgestellt wird, ist fast in Vergessenheit geraten. In einem etwa 30-minütigen Dokumentarfilm, den Rudi Kornbichler zur neuen Sonderausstellung im Lenggrieser Heimatmuseum gedreht hat, wird es noch einmal anschaulich geschildert.

Sepp Wasensteiner und Sepp Wiedemann, Neffe des Bommer Jak, haben einen Rindenkobel so detailgetreu wie möglich nachgebaut. "Wir haben herumgefragt, jeder weiß etwas, und so ist zusammengetragen worden, wie es funktioniert haben muss", erklärt Wasensteiner, selbst ein einheimischer Handwerker.

Grundlage für den Kobel bildete Abfallholz. Und zwar wurden die großen, dicken Fichten, deren Stämme zu Geld gemacht wurden, gleich nach dem Fällen "geschunden": Die Rinde wurde vorsichtig vom Stamm gelöst, solange sie noch frisch und damit weich und biegsam war. So erhielten die Holzer "Dachpappe", in Bahnen von bis zu 1,30 auf drei Meter. Es musste Fichtenrinde sein, denn nur die ist langfaserig und bricht nicht so leicht wie die der Tanne. Das Gerüst eines Kobels wurde wiederum aus dünnen Stämmen errichtet, die sowieso für die gesunde Auslichtung des Waldes gefällt werden mussten.

Die "Lenggrieser Seppen", wie Manuela Strunz, Leiterin des Heimatmuseums, die beiden Handwerker in den Hauptrollen des Dokumentarfilms nennt, stellten sogar die Holzverbindungen auf traditionelle Weise her. Sie verwendeten Handbohrer, die noch heute in vielen Kellern oder auf Dachböden von Bauernhäusern zu finden sind. Die Nägel schnitzten sie. Bürgermeister Werner Weindl hob bei der Ausstellungseröffnung den Wert des Dokumentarfilms hervor: "Er ist ein ganz wichtiges Dokument, damit das Wissen um ein Handwerk weiterlebt."

Aber auch die Gemütlichkeit wurde beim Bau des Rindenkobels nicht vergessen. Die Handwerker bauten Sitzbänke, Schlafstellen, eine Feuerstelle aus Holz, Schiefersteinen und Lehm sowie einen Pfandelheber für das Kochen über der Feuerstelle nach. Dass das Essen karg war, kann man sich ausmalen. Die Holzer mussten montags die Nahrungsmittel für eine ganze Arbeitswoche mit auf den Berg schleppen und selbst kochen: Wasser, Mehl und Schmalz, in seltenen Fällen gab es mal Milch oder Eier. "Damals hat man kein Weib in einen Kobel einebracht", wird bei der Eröffnungsfeier gewitzelt, als Erinnerungen ausgetauscht werden. "Und wenn man heute einen Kobel bei einem Festl aufbaut, bringt man sie nimmer raus", fügt ein anderer hinzu. Aber auch das wird korrigiert. Nach einem starken Holzhieb wurde oft wieder aufgeforstet. Das sogenannte Koppen-Setzen war oft die Aufgabe der Pflanzweiber.

In der Sonderausstellung "Holzer- oder Rindenkobel - Unterkunft der Waldarbeiter", die bis Ende 2019 zu sehen ist, wird nicht nur ein Kobel, der etwa halb so groß ist, wie es die Originale waren, ausgestellt, sondern auch die zum Bau benötigten Werkzeuge, darunter eine "Reit" oder "Schinda", das Werkzeug, mit dem die Baumrinde vom Stamm getrennt wurde.

Ein kleiner Schwank aus dem damaligen Leben darf natürlich nicht fehlen: Die Holzer schliefen oft in ihrer Arbeitskleidung. In der Nacht bekamen sie ab und zu auch Besuch - von Mäusen. Einem der Holzer wurde einmal über Nacht ein Loch in einen Janker gefressen. Dieser Janker ist nun ausgestellt. Authentisch - wie es damals halt unter den Mannsbildern zuging - ist er schlampig über ein Sitzbankerl (G'flack) geworfen. Es hat sich bis heute noch niemand gefunden, der das Loch geflickt hat.

Heimatmuseum Lenggries, Montag bis Freitag 9 bis 12 und 14 bis 17 Uhr; von Mitte Juli bis Mitte September auch samstags und sonntags von 10 bis 12 Uhr

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