Lenggries:"Wie brodelnde Lava"

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Wenn der Leidensdruck groß ist, greift Sabine Pfister zu Stift und Papier. Nun bringt die KKK-Veranstalterin zwei Bücher heraus: Einen Gedichtband und einen Erfahrungsbericht über ihr Krebsleiden.

Petra Schneider

Wie lebt man weiter mit der Diagnose Brustkrebs? Sabine Pfister hat diese Frage für sich ebenso nüchtern wie eindringlich beantwortet. Am Sonntag stellt sie ihren Erfahrungsbericht ". . . wie der hingetupft an den Gräsern hängende Tau" und einen Gedichtband im Arzbacher Kramerwirt vor. (Foto: Manfred Neubauer)

Normalerweise agiert Sabine Pfister im Hintergrund und holt bekannte und unbekannte Künstler auf die Bühne des Lenggrieser Cafés KKK oder in den Kramerwirt nach Arzbach. Nun hat die 40-Jährige zwei Bücher geschrieben, die sie am Sonntag, 27. Januar, im Rahmen einer Lesung vorstellen will: Das Gedichtbändchen "Aus dem Seelendelta eines Herzens" und ". . . wie der hingetupft an den Gräsern hängende Tau", einen Erfahrungsbericht über die Zeit nach ihrer Brustkrebsdiagnose vor drei Jahren.

SZ: Freuen Sie sich darauf, einmal selbst auf der Bühne zu stehen?

Sabine Pfister: Ich möchte meine Bücher gern persönlich vorstellen, obwohl ich jetzt schon weiß, dass ich sehr aufgeregt sein werde. Ich bin ja schon aufgeregt, wenn ich die Ansage vor den Bühnenprogrammen mache.

In Ihren Büchern geben Sie sehr Privates preis. Ist es Ihnen schwer gefallen, sich so schonungslos zu öffnen?

Es gibt Fragen, die ich in einem persönlichen Gespräch nicht beantworten würde. In den Büchern musste ich das machen, weil ich beschreiben wollte, wie es wirklich war. Zum Beispiel die Brust-Amputation: Wenn ich das weggelassen hätte, wäre es nicht mehr ehrlich.

Hat die Brust-Operation etwas an Ihrem Frausein verändert?

Nein, ich habe keine Probleme damit. Obwohl ich anfangs schon Angst hatte, dass mein Mann mich nicht mehr attraktiv finden würde. Niemand muss perfekt sein. Aber wenn ich heute eine Frau mit einem schönen Busen sehe, werde ich manchmal melancholisch.

In Ihrem Buch beschreiben Sie den Krebs als Ihren Freund. Wie ist das zu verstehen?

Die fünf Jahre vor der Diagnose habe ich in einer Lebenskrise gesteckt: Das KKK aufbauen, nebenbei am Walchensee als Kellnerin arbeiten, mich um meine kleine Tochter kümmern - ich habe mich regelrecht verschlissen. Erst der Krebs hat mich dazu gebracht, belastende Umstände zu verändern. Das KKK zu verkaufen, war wie eine Befreiung. So schlimm es klingt - es hat etwas Einschneidendes gebraucht, damit ich aussteigen konnte. Die Krankheit hat mich müder gemacht, und ich kann meinen Oberkörper nicht mehr so bewegen wie früher. Aber ich habe erkannt, dass wir uns viele Zwänge selbst schaffen. Und ich fühle mich heute emotional stärker und ruhiger.

Sie schildern Ihre Verzweiflung nach der Diagnose eindringlich, aber unsentimental. Auch medizinische Details werden sachlich berichtet. Ist das Ihre Art, mit der Krankheit umzugehen?

Ich bin eigentlich ein sehr emotionaler Typ und eine richtige Heulsuse. Dass das im Buch anders rüberkommt, war nicht beabsichtigt. Das brennende Gefühl von Traurigkeit, das ich gespürt habe, das kann man gar nicht beschreiben.

Die Gedichte sind vor der Krebsdiagnose entstanden?

Ja, während der krisenhaften Jahre vorher. Nicht alles ist autobiografisch, aber alle haben mit mir zu tun.

Eigentlich sind es kleine, gereimte Geschichten mit Motiven wie Ehe, Mutterschaft oder das Gefangensein im Hamsterrad.

Die Probleme, die mich gebeutelt haben, kennen viele Menschen um die 40. Aber kaum jemand spricht offen darüber. Dass ich sie in gereimter Form beschrieben habe, hat keinen bestimmten Grund. Das ist einfach so gekommen, und es ist mir nicht schwer gefallen.

Hat das Schreiben für Sie eine therapeutische Funktion?

Es ist schon ein Verarbeiten von Erlebtem oder Beobachtetem, ein Nachspüren, wie es mir wirklich geht. Mit dem Schreiben sind viele Erkenntnisse gekommen, etwa, dass nicht nur ich manchmal verletzt werde, sondern dass ich auch andere verletze. Ich möchte mit den Büchern Menschen berühren und Impulse geben. Wir nehmen uns viel zu selten Zeit für uns. Unser Leben ist durchgetaktet. Nur beim Lesen oder Musikhören nehmen wir uns eine Auszeit.

Wollen Sie weiter schreiben?

Die Gedichte mussten raus wie brodelnde Lava, und das Krebs-Tagebuch habe ich in einem Rutsch durchgeschrieben. Offensichtlich brauche ich zum Schreiben einen großen Leidensdruck. Im Moment schreibe ich nicht - es geht mir einfach zu gut.

Lesung mit Musik von Stefania Verità (Cello) und Roberto Petroli (Saxofon, Klarinette) am Sonntag, 27. Januar, 19 Uhr, Kramerwirt Arzbach; Karten im KKK und an der Abendkasse; die Bücher gibt es von Montag, 28. Januar, an im KKK, in der Lesebar in Lenggries oder über sabine@kkk-lenggries.de

© SZ vom 23.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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