Lenggries:17 Meter bis zur Berühmtheit

Sylvensteinsee Springen von der Brücke Lenggries Youtube Video

Die Brücke am Sylvensteinsee ist bei Turmspringern ein beliebter Treffpunkt.

(Foto: senddicted/Youtube)

Die Sylvensteinbrücke ist ein Internet-Star. Auf Youtube und Instagram wird sie als Kulisse genutzt. Das liefert teils spektakuläre Bilder - zieht in das überlastete Ausflugsgebiet aber noch mehr Besucher.

Von Petra Schneider

Ein junger Mann steigt auf eine selbstgebaute, mit Gurten befestigte Plattform und stürzt sich in perfekter Turmspringerhaltung die Sylvensteinbrücke hinunter. Seine Freunde folgen ihm nach. Salto mit Anlauf übers Geländer, Auerbachsprung, Delfin, Doppel-Backflip. "Klippenspringen am Sylvensteinspeicher" heißt das Youtube-Video vom Sommer 2020, das mehr als 80 500 Leute aufgerufen und teilweise begeistert kommentiert haben. "Krasses Video". "Geile Sprünge". "Weiter so".

Die Bilderbuchlandschaft im Isarwinkel, die immer schon für Postkartenmotive gut war, wurde längst von Instagrammern und Youtubern entdeckt. Seit gut 15 Jahren kursieren Videos von Sylvensteinspringern im Netz, damals noch in wackligen Bildern und schlechter Tonqualität. Inzwischen wirken die Filme hoch professionell - und nicht selten auch inspirierend.

Im Fall der Brückenspringer ist die Nachahmerquote aber vermutlich überschaubar, wer traut sich schon aus einer Höhe von 17 Metern in einen See zu springen. Oder über eine 600 Meter lange Slackline neben der Brücke zu balancieren, wie jüngst der Miesbacher Lukas Irmler, der mehrere Weltrekorde hält und auf seinem schmalen Band auch schon die Victoriafälle überquert hat. Dass das ohnehin stark frequentierte Sylvensteingebiet nun auch noch verstärkt von im Netz gehypten Extremsportlern okkupiert wird, kann Johannes Kufner jedenfalls nicht bestätigen. "Das ist nicht mehr geworden", findet der Chef der Tölzer Polizeiinspektion. Diesen Sommer seien die Brückenspringer "wieder mal ein Thema gewesen", aber polizeiliche Einsätze habe es deswegen nicht gegeben.

Sind solche Sprünge denn überhaupt erlaubt? Grundsätzlich schon, wenn Bestimmungen eingehalten würden, sagt Kufner. So müssten "verkehrsfremde Nutzungen" wie etwa eine Rampe oder ein Podest an der Brücke vom Landratsamt genehmigt werden. Und falls sich durch solche Aktionen Ansammlungen bildeten, die den Verkehrsfluss beeinträchtigten, dann sei das schon ein Fall für die Polizei. "Aber die Leute sind gut vernetzt", sagt Kufner. Bis eine Streife ankomme, seien die Akteure meist schon gewarnt.

Sylvensteinsee Springen von der Brücke Lenggries Video

Die Videos bei Youtube haben teilweise viele Tausend Zugriffe.

(Foto: senddicted/Youtube)

Franz Schöttl, Dienstellenleiter bei der Geretsrieder Polizei und Zweiter Bürgermeister von Lenggries, beobachtet bei seinen regelmäßigen Fahrten an den Sylvensteinsee "relativ oft" Gruppen von Brückenspringern. Er findet diese Aktionen nicht ungefährlich. An der Stelle des ehemaligen Isardurchflusses, wo die Springer eintauchen, sei das Wasser tief genug. Aber Fischerboote, die unter der Brücke durchfahren, könnten die Springer von oben schlecht sehen. Außerdem würden Verkehrsteilnehmer womöglich abgelenkt. Man beobachte die Entwicklung deshalb "kritisch", sagt Schöttl. "Wenn es mehr werden, müssten wir was unternehmen." Einen Unfall bei den Brückenspringern hat es seines Wissens zwar noch nicht gegeben. Aber Schöttl erinnert sich an einen Bungee-Jumper vor einigen Jahren, der "hart auf dem Wasser aufgekommen" sei und sich schwer verletzt habe.

Die Jagd nach dem perfekten Bild vor Traumkulisse, der Wunsch, das eigene Leben spannend und sich selbst optimal in Szene zu setzen - das führt im schlimmsten Fall zu regelrechten Massenbewegungen. Ein trauriges Beispiel ist die Gumpe oberhalb des Königssees im Nationalpark Berchtesgaden. Weil sich an Spitzentagen mehr als 350 Menschen dort drängten, haben die Behörden den Weg im Juli für fünf Jahre gesperrt. In Scharen waren junge Leute, oft schlecht ausgerüstet, auf dem teilweise rutschigen Steig zum Influencer-Hotspot "Infinity-Pool" gepilgert. Für die Selbstinszenierung im Netz hinterließen sie in der analogen Wirklichkeit ein Netz von Trampelpfaden, zerstörten die Vegetation und schreckten Tiere auf.

Im Frühjahr 2019 waren zwei junge Männer in der Gumpe ertrunken. Influencer-Hotspots mit vergleichbar dramatischen Zuständen gebe es im Isarwinkel zum Glück noch nicht, sagt Friedl Krönauer. Dass junge Leute von der Sylvensteinbrücke springen oder sich mit einem Seil hinunter schwingen kennt der Kreisvorsitzende des Bunds Naturschutz schon aus seiner Jugend. Neu sei die mediale Selbstvermarktung solcher Aktionen, die zum Nachahmen ermuntere. "Die Masse ist das Problem", sagt Krönauer. Die Leute hätten überall das Handy dabei und posteten Bilder, oft mit genauen Lagedaten. Dazu kämen Routenplaner-Apps wie Komoot, die in Deutschland von zwölf Millionen Menschen genutzt wird. Diese Outdoor-Portale lockten Leute, die weder richtig ausgestattet seien noch die nötige Erfahrung und Fitness hätten, auf abgelegene Steige, Kletterrouten und Mountainbiketrails. "Dann stehen die irgendwo, rufen die Bergwacht und erklären, dass das ein Tourentipp von einer App war", sagt Krönauer.

Erst im vergangenen Jahr sei ein 54-Jähriger mit dem Mountainbike auf dem schmalen Wandersteig am Grasköpfl 200 Meter in den Tod gestürzt, so der Bund-Naturschutz-Chef, der sich freilich auch Sorgen um die Natur macht. Die Vegetation könne sich zwar regenerieren, "aber wenn viele Leute reindrücken, dann bringt das Unruhe in ein Gebiet", sagt er. Das gelte für Einheimische genauso wie für Touristen. "Dem Rotwild oder dem Raufußhuhn ist es wurscht, wo der herkommt", sagt Krönauer. Für die Tiere seien Störungen, vor allem während der Winterruhe, lebensbedrohlich. Anders als im Nationalpark Berchtesgaden sind Sperrungen aber nicht möglich. "Wir haben bei uns so gut wie keine Naturschutzgebiete in den Bergen", erklärt Krönauer. Und Gebiete großflächig von Rangern kontrollieren zu lassen, sei nicht leistbar.

Nötig wären nach Ansicht von Krönauer digitale Ranger, die in den einschlägigen Portalen auf gefährliche Routen hinweisen und die Leute sensibilisieren, dass sie sich in Naturräumen bewegten. Aber eine Lösung habe er auch nicht, sagt Krönauer. "Das Problem ist die Sucht nach dem Kick und die Instagram-Manie."

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