Da mag die Straße noch so krumm und kurvig verlaufen, das wegweisende Schild bewachsen und hinter einem Masten in einer Kurve versteckt sein - an der "Schweizer Wirtin" in Schlegldorf bei Lenggries gibt es kein Vorbeikommen. Zumindest nicht, wenn man auf der Suche nach einer feinen Variante der Regionalküche ist, geprägt von einer Wirtin, die seit Jahrzehnten für die handwerkliche Qualität im Haus steht: Barbara Hipp.
Mögen die Touristenschwärme auf der gegenüberliegenden Isarseite auf der Bundesstraße 13 in die Berge rasen. Auf der westlichen Seite hingegen tickt das Leben anders. Ruhiger. Ursprünglicher. Prächtige Bauernhöfe säumen die Wiesen, auf denen Fleckvieh weidet, Handwerksbetriebe und einzelne Häuser gruppieren sich um kleine Kirchen. Mitten in diesem Isarwinkler Idyll zwischen Schlegldorf und Arzbach liegt der Gasthof Schweizer Wirtin auf einer Anhöhe. Ein schmuckes Bauernhaus, mit vielen Geranien an den Holzbalkonen und einer Terrasse mit Blick in die Berge. Seit annähernd 400 Jahren werden hier hungrige und durstige Wanderer ebenso verköstigt wie Stammtischmitglieder. Wobei, genau genommen kennen die meisten das Haus als "Schweizer Wirt". Heute aber machen zwei kleine Buchstaben den Unterschied. Denn seit einigen Jahren ist Barbara Hipp alleine verantwortlich für den Betrieb der historischen Wirtschaft. Und diese rein weibliche Führung macht sie inzwischen auch im Namen deutlich.
Seit 1983 pachtet Hipp das Anwesen, und seither ist aus der vormals einfachen Bauernwirtschaft ein Hort bester bayerischer Küche geworden, mit Strahlkraft weit über den Isarwinkel, den Landkreis und ganz Bayern hinaus. Deutsche und internationale Feinschmecker-Magazine waren schon da, Prominente geben sich genauso die Klinke in die Hand wie Einheimische, und dennoch gilt das Haus nach wie vor als Geheimtipp, auch durch seine untypische Lage fernab der Touristenpfade.
Namen nennen, da bleiben Hipps Lippen freilich geschlossen. "Mei", sagt sie mit einem Lächeln auf die Frage nach ihren prominenten Gästen, "die san doch froh, wenn sie mal in Ruhe gelassen werden, wenn man sie behandelt wie jeden anderen auch." Sie weiß, was Politiker und Showbiz-Größen wollen: "A Ruh - und was Gscheits zum Essen."
Hipp stammt ursprünglich aus der Jachenau. Als Jugendliche will sie eigentlich BWL studieren, entscheidet sich aber dann für eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Doch als sie heiratet und ihr Mann, ein gelernter Bäcker aus Kärnten, seinen Traum von einem eigenen Wirtsbetrieb verwirklichen will, zieht sie mit. Als sich die Chance ergibt, den Schweizer Wirt in Arzbach zu übernehmen, greift er zu - und fortan steht Barbara Hipp in der Küche. Und findet ihre Passion, die sie mit Lehrjahren in der Schweiz und in bayerischen Spitzenhäusern unterfüttert.
Heute, da sie das Wirtshaus als "Schweizer Wirtin" alleine führt, stehen vorwiegend Klassiker auf der Karte - aber in einer selten erlebten Qualität, grundsätzlich feiner und leichter zubereitet. Convenience-Produkte kommen ihr nicht ins Haus. So möglich, kauft Hipp regional ein: Fleisch und Wurst, Brot und Käse aus Lenggries und Bad Tölz, dazu immer wieder auch Wild von befreundeten Jägern. "Nur durch gute Ausgangsprodukte gelingt auch ein gutes Endprodukt auf dem Teller", ist Hipp überzeugt. Und: "Konstant sein, das ist das Geheimnis", verrät sie.
Viel zum Genuss trägt aber auch das Ambiente des jahrhundertealten Bauernhauses bei. Von dem leitet sich auch der ungewöhnliche Name des Gasthauses ab. Der Hausname "Schweizerbauer" bezieht sich nämlich gar nicht auf den einstigen Landwirt, sondern auf eine Geschichte aus dem 30-jährigen Krieg, wie eine alte Tafel am Haus erklärt: Während des Konflikts wurden 40 Schweizer Kühe aus dem kurfürstlichen Hofstall in Schleißheim bei München auf diesen Hof gebracht, um sie vor den Schweden in Sicherheit zu bringen. "Schweizer Kühe waren damals von ganz besonderem Wert", erzählt Hipp. Doch die Schweden machten das Versteck ausfindig und bemächtigten sich der Tiere. Die Rechnung haben sie dabei aber ohne die Isarwinkler gemacht. Denn diese ließen sich nicht so einfach bestehlen, stellten sich den Schweden in den Weg und nahmen ihnen die wertvollen Kühe wieder ab. 1632, so sagt das Schild, habe sich das zugetragen. "Vielleicht war es auch anders, aber ich mag diese Geschichte", schmunzelt die Wirtin.
Wer als Gast nicht die Aussicht auf der Terrasse genießt, der taucht drinnen ein in eine andere Welt. Zwei Stuben mit hölzernen Wandverkleidungen und alten Holzdecken, dazu Türen mit schmiedeeisernen Schlössern und ein alter Eichenboden, der stilecht knarzt beim Betreten. Auf den Tischen liegen handgestickte Leinenbänder mit dem Wort "reserviert", an den handgeschmiedeten Kerzenhaltern schimmert die neue weibliche Schreibweise des Hauses durch. Ein paar Gläser selbstgekochte Marmelade warten darauf, von Stammgästen abgeholt zu werden.
Früher, da veranstaltete Hipp regelmäßig auch Event-Abende, etwa ein Festabend mit erlesenen Weinen und Speisen, die schon am kaiserlichen Hofe serviert wurden. Heute belässt es Hipp beim Tagesgeschäft, doch ihr Stolz auf die Kooperation mit den besten Winzern ist geblieben. Und der Stolz auf das, was sie auch die nächsten Jahre antreiben wird: "Wenn die Gäste glücklich sind, dann geht mir da nix drüber."