Forststraßen:Immer mehr "Autobahnen" im Bergwald

Naturschützer protestieren gegen den Ausbau der Wanderwege im Oberland. Doch Förster brauchen die Zufahrten, um in Zeiten des Klimawandels den Wald zu stärken.

Von Ingrid Hügenell

Vom Parkplatz beim Schloss Hohenburg hat bis vor wenigen Jahren ein schöner schmaler Waldweg, der Grasleitensteig, hinauf zur Lenggrieser Hütte geführt. Seit drei Jahren sind etwa eineinhalb Kilometer davon eine breite Forststraße. Privateigentümer haben sie in ihrem Wald als Rückeweg anlegen lassen. Viele Wanderer seien entsetzt, "weil der Weg so schiach ist", sagt Hüttenwirtin Michaela Durach. Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann Florian die Lenggrieser Hütte am Seekar und ist auch selbst traurig, dass die Forststraße gar so "schiach", also hässlich ist. "Es gibt Leute, die den Weg das erste Mal nach einigen Jahren gehen, die wollen gar nicht glauben, dass er wirklich so greislig ist." Dass deswegen weniger Leute auf die Hütte kämen, haben Durachs allerdings bisher nicht bemerkt.

Gegen den Weg hat am Samstag, wie schon vor drei Jahren, der Verein "Mountain Wilderness" protestiert, mit der symbolischen Pflanzung von zehn kleinen Fichten. Nach eigenem Bekunden wollten die Naturschützer damit ein deutliches Zeichen setzen "gegen den zunehmenden Forststraßenbau im bayerischen Bergwald". Seit einigen Jahren würden "überdimensionierte Forststraßen gebaut, die sich als Waldautobahnen durch die Voralpen ziehen und oft alte, naturbelassene Bergwege zerstören", schreibt Michael Pröttel von dem in Wörthsee im Landkreis Starnberg ansässigen Verein.

Grasleitensteig

Wo früher der schmale Grasleitensteig den Berg hinauf führte, wandert man nun über eine breite Forststraße.

(Foto: Manfred Neubauer)

"Es ist erstaunlich, wo überall Straßen sind", bestätigt Friedl Krönauer, Kreisvorsitzender des Bunds Naturschutz. Die Bergwaldoffensive der Staatsregierung nennt er "ein Straßenbauprojekt der Sonderklasse". Er habe den Überblick verloren, wo in den vergangenen Jahren neue Forststraßen entstanden seien. Häufig handle es sich um Privatstraßen, die Krönauer zufolge zu leicht genehmigt werden. Zudem würden besonders breite Forststraßen, die mit Lastwägen befahren werden könnten, auch besonders stark staatlich gefördert.

Wie eine Untersuchung des Vereins zum Schutz der Bergwelt gezeigt hat, sind beim Bau des Grasleitenwegs diverse Auflagen nicht eingehalten worden. So ist der Weg viel breiter geworden als genehmigt. Die Bergschützer sehen durch den Bau des Wegs "das Ende einer harmonischen Beziehung zwischen Wanderer und Natur" gekommen. Mountain Wilderness fürchtet um die Artenvielfalt.

Förster Robert Nörr sieht den Waldbau durch den Klimawandel getrieben: "Wir müssen anders arbeiten als früher." Es gebe mehr Stürme und längere Trockenphasen, der Borkenkäfer dringe in immer höhere Lagen vor, was die Förster dazu zwinge, an Stellen einzugreifen, an denen man früher nichts gemacht hätte. Im Schutzwald habe man nicht Zeit, 60 oder 70 Jahre zu warten, bis sich der Wald natürlich verjünge. "Wir brauchen die Forstwege einfach, um den Wald intensiver zu pflegen." Zudem hätten Privatwaldbesitzer eben auch das Recht, ihre Wälder zu bewirtschaften innerhalb der gesetzlichen Bedingungen. Naturschützer Krönauer kritisiert, dass dazu oft riesige Maschinen, "unvorstellbare Geräte", eingesetzt würden, was die breiten Straßen notwendig mache. Sie verdichteten den Boden, was auch zu mehr Erosion führe.

Forststraßen: Symbolische Pflanzung: Mitglieder des Vereins Mountain Wilderness an der Forststraße, die den Grasleitensteig ersetzt. Die kleinen Bäume nahmen sie wieder mit: Sie würden doch nicht anwachsen.

Symbolische Pflanzung: Mitglieder des Vereins Mountain Wilderness an der Forststraße, die den Grasleitensteig ersetzt. Die kleinen Bäume nahmen sie wieder mit: Sie würden doch nicht anwachsen.

(Foto: M. Drescher/oh)

Mountain Wilderness fordert einen deutlich rücksichtsvolleren Umgang der Forstbehörden mit dem Bergwald und transparentere Genehmigungsverfahren. "Eine Forderung, die bei den Wanderern auf große Zustimmung stieß", wie Michael Pröttel von Mountain Wilderness berichtet. Auch Hüttenwirtin Michaela Durach würde sich den Weg naturnäher wünschen: "Man bedauert schon, dass das so verschandelt ist."

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