Lenggries:Die Idylle trügt

Bächental Dürrach Tirol

In einer Klamm nahe Fall springt die Dürrach munter durch ihr Bett. An anderen Stellen im Bächental gleicht der Bach dagegen einem Rinnsal.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Dürrach gleicht im Oberlauf einem Rinnsal. Die Tiroler zwacken das Wasser zur Stromerzeugung ab. Naturschützer fürchten um die Fische.

Von Klaus Schieder, Lenggries

Eine felsige Schlucht, hinabstürzende Bäche, bergauf ragende Bäume, in denen der Wind rauscht: Das Bächental zwischen Fall und der Grenze zu Österreich könnte leicht als Kulisse für einen schnulzigen Jäger-und-Wilderer-Film wie aus den Fünfzigerjahren herhalten. Eine einspurige, geteerte Forststraße führt in diese Abgeschiedenheit, die jedoch alles andere als menschenleer ist. Radfahrer strampeln zuhauf durch die Wildromantik, zwei Touristen haben die Chuzpe, trotz Pkw-Durchfahrtverbots mit ihren Autos herumzukurven. Karl Probst und seine Mitstreiter vom Verein "Rettet die Isar" dürfen mit ihren beiden Fahrzeugen hindurch, sie haben eine Genehmigung. Ihnen geht es auch nicht um Freizeitspaß, sondern um die Dürrach. Trotz des oft nassen Sommers führt dieser Zufluss in die Isar über den Sylvensteinsee streckenweise zu wenig Restwasser - jenes Wasser also, das ein Fluss oder Bach auch in Trockenperioden noch hat. Die Folge: Fische können nicht durchgehend schwimmen.

Erste Station: eine Klamm nahe Fall. Die Dürrach sprudelt munter durch ihr enges Bett, alles scheint in Ordnung zu sein. "Der Normaltourist hat hier den Eindruck, das passt doch", sagt Probst. Dies liege aber nur daran, dass Gebirgsbäche wie der Krottenbach und der Kotzenbach hier die Dürrach mit Wasser speisen. Zweite Station: die Stierschlagsperre unterhalb der Lechkogel-Almen. Nach Österreich hin sieht der Bach schon weniger lebendig aus, selbst kleine Fische hätten es schwer, durch das kaum mehr als eine Handbreit hohe Gewässer zu kommen. Dritte Station: die Grenze zu Österreich, wo die Dürrach nur noch ein Rinnsal inmitten einer Kieslandschaft ist. "Eine ganz fade Gaudi," urteilt Probst. Vierte Station: die Geschiebesperre bei Fall. Neben der 2010 errichteten Staumauer rauscht die Dürrach vorbei, tief genug, damit Fische ohne Probleme darin schwimmen können.

Seit 42 Jahren kämpft der Verein "Rettet die Isar" für den Schutz der Wildflusslandschaft und ein ökologisches Regime für die Isar und ihre Zuflüsse. Eine seiner Forderungen: Die abgeleiteten Gewässer müssen mehr Restwasser führen. 1949 kamen Deutschland und Österreich überein, dass der Rißbach in Bayern zur Stromerzeugung ins Walchenseekraftwerk abgeleitet wird, die Dürrach ins Achenseekraftwerk in Tirol. "Wir sind keine Feinde der Wasserkraft", betont Vorsitzender Probst bei der Exkursion am Mittwoch. Allerdings pocht der Verein darauf, dass die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die 2000 erlassen wurde, eingehalten wird.

Das sah auch zunächst so aus, als Österreich voriges Jahr seinen nationalen Gewässer-Bewirtschaftungsplan vorlegte. Darin ist die Dürrach als "prioritäres Sanierungsgewässer" ausgewiesen, sagt stellvertretender Vorsitzender Franz Speer. Und noch etwas machte den Vereinsmitgliedern Hoffnung. 2014 erfuhren sie beim Isar-Gespräch im bayerischen Umweltministerium, dass Tirol in der Dürrach Versuche mit Restwasser vorhabe. "Das haben wir sehr gelobt", sagt Probst. Aber dann folgte die Enttäuschung. Passiert sei bislang nichts, sagt der Vorsitzende. Im Gegenteil: Die Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG), die das Achenseekraftwerk betreibt, habe in ihrer Stellungnahme kritisiert, dass die Vorgaben im Gewässer-Plan "eine enorme finanzielle und energiewirtschaftliche Belastung" darstellten. Sie möchte eine Ausnahme für die Dürrach, die als "erheblich verändertes Gewässer" eingestuft werden solle. Im Klartext heißt dies, dass der Bach dann keine Durchgängigkeit für Fische bieten muss und "eine erheblich reduzierte Restwassermenge" führen darf, wie Speer erläutert. "Sie wollen möglichst wenig tun." Probst ergänzt: "Und möglichst spät." Dem Verein ist bewusst, dass er auf die Politik im Nachbarland kaum Einfluss hat. Und in Bayern? "Ein bisschen", meint Probst. Deshalb will er das Thema beim nächsten Isar-Gespräch im Umweltministerium im Herbst ansprechen. Sein Wunsch: Anderthalb bis zwei Kubikmeter Restwasser pro Sekunde mehr müssten in der Dürrach fließen.

An der neuen Geschiebesperre bei Fall türmen sich zwei Kiesberge am Ufer auf. Rund 60 000 Kubikmeter Kies und Geröll werden rund um den Sylvensteinsee aus den Gewässern gehoben. Bis zu 26 000 Kubikmeter Geschiebe sollen wieder in die Isar nördlich des Stausees kommen - an der Isarbrücke unterhalb des Sylvensteins, am Steinbock-Denkmal, der Isarburg, der Arzbach-Einmündung. Probst äußert Bedenken. Man könne "die Alpen-Erosion nicht mit Lastwagen nachmachen", sagt er und fordert eine wissenschaftliche Studie, die ins Detail geht und herausstellt, "wann bringt man ein, wo bringt man ein, was bringt man ein". Vorbild ist für Probst dabei die Untersuchung für die Isar von Tölz bis Einöd, die vom Fischereiverband bezahlt wurde. Vielleicht könne das Wasserwirtschaftsamt Weilheim oder ein Verband diese Arbeit bezahlen, so der Vorsitzende. "Unser Verein hat das Geld nicht."

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