Wintersport in Bad Tölz-Wolfratshausen: Abschied von schneeweißen Skitagen

Wintersport in Bad Tölz-Wolfratshausen: Viel Grün und Braun, sehr wenig Weiß: Das Skigebiet am Brauneck bietet derzeit ein trostloses Bild. Unbeirrbare Wintersportler müssen auf sülzigen Schneeresten den Hang hinunterfahren.

Viel Grün und Braun, sehr wenig Weiß: Das Skigebiet am Brauneck bietet derzeit ein trostloses Bild. Unbeirrbare Wintersportler müssen auf sülzigen Schneeresten den Hang hinunterfahren.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Peter Lorenz hört nach 20 Jahren als Geschäftsführer der Brauneck-Bergbahn auf. Er hat zahlreiche technische Veränderungen am Lenggrieser Hausberg erlebt und blickt mit seinen Nachfolgern in eine herausfordernde Zukunft.

Von Benjamin Engel, Lenggries

Die nach Süden, Osten und Norden offene Terrasse des Panoramarestaurants an der Bergstation der Kabinenbahn liegt wie eine Kommandobrücke über dem Skigebiet am Lenggrieser Hausberg. Wer oben steht, hat den Überblick vom Idealhang am hinteren Brauneck über den Kotalmkessel bis zu den oberen Hängen am Garland und weit ins Flachland hinaus - vor der Gipfelkulisse im Isarwinkel mit dem Karwendel- und Mangfallgebirge im Hintergrund.

Womöglich zählt Peter Lorenz daher die Terrasse zu seinen Lieblingsplätzen am Brauneck. Von der Aussichtswarte musste der 69-jährige Maschinenbauingenieur seit Beginn der Skisaison vor dreieinhalb Wochen allerdings zusehen, wie Plusgrade, Wind und Regen den Schnee immer mehr zusammenschmelzen ließen. Dagegen waren selbst der frühe Wintereinbruch mit hohen Minustemperaturen und die maschinelle Grundbeschneiung im Dezember machtlos.

Wintersport in Bad Tölz-Wolfratshausen: Weiße Wunderwelt: Anfang 2019 herrschten am Brauneck ideale Bedingungen für Wintersportler.

Weiße Wunderwelt: Anfang 2019 herrschten am Brauneck ideale Bedingungen für Wintersportler.

(Foto: Manfred Neubauer)

Als Lorenz an einem Nachmittag Anfang Januar 2023 mit Antonia Asenstorfer und Stefan Schnitzler noch einmal hinaufkommt, muss sich niemand die Augen zukneifen. Statt auf eine strahlend weiße blickt man auf eine vorwiegend grün-braune Landschaft. Vom Schnee sind nur noch Reste übrig. Am Abend wird es auf der Homepage der Brauneck-Bergbahn heißen, dass Skifahren nur noch am Streidlhang im Tal möglich ist. Keine gute Nachricht in einem wichtigen Monat wie diesem. Vor genau zwei Jahrzehnten hat Lorenz seinen Dienst als Geschäftsführer der Brauneck- und Wallbergbahn GmbH angetreten. Nun ist der gebürtige Schlierseer seit wenigen Tagen offiziell im Ruhestand. Mit seinem bisherigen Stellvertreter Stefan Schnitzler und der Kommunikationschefin Antonia Asenstorfer hat das Nachfolge-Duo übernommen.

Wintersport in Bad Tölz-Wolfratshausen: Geschäftsführungswechsel bei der Brauneck-Bergbahn: Peter Lorenz (Mitte) hört nach zwei Jahrzehnten auf. Antonia Asenstorfer (links) und Stefan Schnitzler (rechts) übernehmen das Ruder.

Geschäftsführungswechsel bei der Brauneck-Bergbahn: Peter Lorenz (Mitte) hört nach zwei Jahrzehnten auf. Antonia Asenstorfer (links) und Stefan Schnitzler (rechts) übernehmen das Ruder.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Ganz angekommen scheint Lorenz in der neuen Lebenssituation noch nicht zu sein. "Mir kommt es wie zwei statt 20 Jahre vor", sagt er. "Die Zeit ist so schnell vergangen." Unter seiner Verantwortung hat sich am Brauneck viel bewegt. Für mehr als drei Millionen Euro entstand an der Bergstation der Kabinenbahn 2005 das noch von Vorgänger Fritz Schloer konzipierte Panorama-Restaurant. Mit dem Milchhäusl-Express und der Schrödelsteinbahn ersetzten moderne Sechser-Sessellifte samt Förderbändern und Sitzheizung für je rund zehn Millionen Euro alte Anlagen. Die Brauneck-Bergbahn übernahm die Lifte der Singhammer-Familie im Finstermünzkessel und baute das bei Umwelt- und Naturschützern umstrittene Beschneiungssystem aus - auf heute 78 Propeller-Schneeerzeuger und 97 Lanzen samt Speicherteich im Garlandkessel.

Bei einem Wetter wie diesem hat aber auch das bislang nicht ausgereicht, um den Skibetrieb über Silvester hinaus sicherzustellen. Trotzdem ist Lorenz fest davon überzeugt, dass der Ausbau der künstlichen Beschneiung eine sinnvolle Investition war. "Wir haben jetzt in einem schlechten Winter mehr Skitage als früher in einem normalen Winter", sagt der ausgeschiedene Bergbahn-Geschäftsführer. Zudem schütze die durch die Beschneiung geschaffene Pistenunterlage die Grasnarbe vor den Kanten der Ski. Er und sein Nachfolgeduo beklagen eine aus ihrer Sicht zunehmend ideologisch geführte Debatte gegen den Skigebietstourismus. Für neue Liftanlagen und Beschneiungssysteme werde zwar ins Gelände eingegriffen, sagen sie. Doch das wachse nach wenigen Jahren auch wieder zu, so dass die Tier- und Pflanzenwelt erhalten bleibe.

Lorenz' Nachfolgerin Asenstorfer spricht von einem "nachhaltigen Betriebsverständnis: nicht nur ökologisch, sondern auch sozial und wirtschaftlich". Das Skigebiet schaffe und erhalte Arbeitsplätze in der Region. Für die Brauneck- und Wallbergbahn GmbH sowie die Alpenbahnen Spitzingsee - die Geschäftsführung umfasst alle drei Gebiete - seien insgesamt 75 bis 80 Festangestellte tätig. Im Winterbetrieb steige die Zahl mit Aushilfen auf 150 Mitarbeiter. Zugleich könnten durch einen Arbeitsplatz bei der Bergbahn fünf Beschäftigte in der Region ihren Lebensunterhalt verdienen - vom Bäcker, Handwerker bis hin zu den Angestellten in Gastronomie und Übernachtungsbetrieben. "Wir haben eine Wertschöpfungsfunktion für die Region", sagt Asenstorfer.

Es waren jedoch weniger die betriebswirtschaftlichen Vorgaben, die Lorenz auf den Berg gebracht haben. Am Schliersee ist er aufgewachsen, arbeitete in jungen Jahren im Winter als Skilehrer und lernte so die Betriebsleiter der Liftanlagen kennen. In der Gebirgsnatur habe er sich immer gerne bewegt, sagt er. Später als Maschinenbaustudent an der Technischen Universität München war für ihn bald klar , dass ein Job bei einem bekannten Unternehmen wie BMW, den viele seiner Kommilitonen anstrebten, nicht seine Sache sei. "Das war mir einfach zu groß", erzählt Lorenz. "Nur im Büro am Zeichenbrett zu stehen, wäre nichts für mich gewesen." Fast wäre er Berufsschullehrer für Maschinen- und Werkzeugbau geworden. Weil er gut mit Jugendlichen umgehen konnte, wie er sagt. Durch Kontakte erfuhr er, nur wenig älter als Mitte Zwanzig, dass die Kampenwandbahn eine neue Betriebsleitung suche. Dort begann er ein Volontariat und wurde stellvertretender Betriebsleiter.

So begann eine mehr als vier Jahrzehnte lange Karriere in der Seilbahnbranche. Nach zwei Jahren bei der Kampenwandbahn - samt Intermezzo bei der insolvent gegangenen Hochriesbahn - wechselte Lorenz zur Hochfellnbahn, ehe er am Brauneck landete und gleichzeitig für den Wallberg verantwortlich wurde. Wenig später kam die Geschäftsführungsposition bei den Alpenbahnen Spitzingsee als Teil der Schörghuber-Unternehmensgruppe hinzu. Er sei für zwei Jahre extra nach Lenggries gezogen, "um die Leute kennenzulernen", berichtet Lorenz, der inzwischen wieder am Schliersee lebt. Sich im Team auszutauschen und im Gebiet der Bergbahn unterwegs zu sein, beschreibt er als eine der wichtigen Aufgaben als Geschäftsführer. Als solcher war er allerdings auch oft im Büro, um sich mit Investitionsplanungen zu neuen Bauprojekten am Berg oder den Umsatzzahlen zu befassen. Die ließ sich Lorenz jüngst direkt aufs Handy schicken, damit er direkt nach dem Aufstehen gleich nachschauen konnte. Dafür hatte er früher telefonieren müssen. Ein morgendliches Ritual genauso wie der Blick aufs Wetter durchs Fenster zuhause.

Mehr als vier Jahrzehnte in der Bergbahnbranche bieten auch Studienmaterial für eine technologische Entwicklungsgeschichte. So berichtet Lorenz davon, wie er bei der Kampenwandbahn mit einer von einem simplen Ford-Mustang-Motor getriebenen Pistenraupe zur Tankstelle nach Aschau gefahren sei. Mit einem Kettenfahrzeug auf der Straße zu fahren, sei heute undenkbar. Und das Modell von damals sei auch kein Vergleich zu den modernen Kolossen, die über das Snow-Sat-System jederzeit detaillierte Informationen über die Schneehöhe auf der zu präparierenden Abfahrt erhalten. Als er am Brauneck angefing, gab es einen Computer und eine elektrische Schreibmaschine im Büro. Heute existiert ein ganzes Computernetzwerk, in dem auch alle Daten des komplexen Beschneiungssystems zusammenlaufen, um die Anlagen zu steuern.

Genauso erwartet der Skigast heutzutage stets perfekt glatt präparierte Pisten. Früher, so Stefan Schnitzler, seien manche Abschnitte nur alle zwei Tage präpariert worden. Daraus resultierende Schneehaufen und Schwunggruben akzeptiere heutzutage kein Skifahrer mehr. Asenstorfer berichtet von einer Mail, in der sich eine Frau beschwert habe, dass die Abfahrten nicht geräumt waren. Doch wenn es nach dem Walzen intensiv zu schneien beginne, sei das praktisch gar nicht zu bewerkstelligen.

Auf die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Skigebiet angesichts des Klimawandels sagt die neue Geschäftsführerin: "Wir werden so lange, wie es geht, am Skibetrieb festhalten." Es gebe schließlich immer noch viele, die Skifahren wollten. Für die Gäste aus dem Einzugsgebiet um München sei es etwas Besonderes, mittlere Skigebiete wie das Brauneck mit seinen etwas mehr als 30 Pistenkilometern zu erhalten. "Und was wäre denn die Alternative", fragt sie. Klar sei es energieintensiv, ein Skigebiet zu beschneien und zu betreiben. Doch wenn die Urlauber stattdessen eine Flugreise buchten, sei das bestimmt nicht umweltschonender. Der Lenggrieser Hausberg profitiere davon, dass das Geschäft auch im Sommer laufe, sich nicht nur auf den Winter konzentriere. Auch wenn die Skisaison künftig kürzer ausfalle, könnten die Bergbahnen wirtschaftlich überleben. "Gerade auch das Panorama-Restaurant zahlt auf das Ganzjahresgeschäft ein", sagt Asenstorfer.

Zwischen den drei Bergbahnstandorten von Lenggries zu dem knapp 50 Kilometer entfernten Spitzingsee zu pendeln ist auch zeitlich herausfordernd. Daher übernehmen Asenstorfer und Schnizler die Aufgabe im Duo. Die ausgebildete Übersetzerin für Englisch und Spanisch hat Ende der 1990er-Jahre angefangen, für die Schörghuber-Unternehmensgruppe zu arbeiten, zu der auch die Anlagen am Brauneck, Wallberg und Spitzingsee gehören. Sie ist nun für Marketing und Kommunikation verantwortlich, während Schnitzler den technischen Part betreut. Er arbeitete als Elektriker 2016 auf der Polarforschungsstation Neumayer III des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis, ehe er als Stellvertreter ans Brauneck zurückkehrte.

Auf der dortigen Panorama-Terrasse wird es auch bei mehr als fünf Grad nach wenigen Minuten doch ziemlich kühl, wegen eines ungemütlichen Westwinds. Beim Blick auf die Schneereste sagt Lorenz, dass es solche Winter auch schon früher gegeben habe. Und dass er hoffe, dass in diesem Jahr noch Schnee komme. Als Berater im Hintergrund wird er weiter tätig sein, aber er will sich künftig mehr Zeit nehmen, um zu radeln und zu schwimmen. Ende des Jahres werde er 70, sagt Lorenz. "Da muss man schauen , dass man gesund bleibt."

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