Süddeutsche Zeitung

Unterwasserarchäologe:Indiana Jones mit Flossen

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Florian Huber berichtet in seinem Heimatort Lenggries über versunkene Schiffe, einen Maya-Friedhof und den Walchensee.

Von Konstantin Kaip, Lenggries

Florian Huber ist gerne in Lenggries. Der 43-Jährige schwärmt von den Bergen, der Luft und der Lebensqualität des Ortes, in dem er aufgewachsen und gerade wieder zu Besuch ist. Huber, der seit bald 20 Jahren in Kiel seinen Wohnsitz hat, muss es wissen. Schließlich ist er weit herumgekommen auf der Welt. Und er war an zahlreichen Orten, die außer ihm nur sehr wenige gesehen haben. Der Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher hat in den Unterwasserhöhlen Mexikos einen alten Maya-Friedhof entdeckt und in den "Blue Holes" der Bahamas prähistorische Krokodilskelette. Er hat das größte schwedische Kriegsschiff des 16. Jahrhunderts in 80 Metern Tiefe der Ostsee erforscht und im pazifischen Inselstaat Mikronesien die 1944 gesunkene japanische Geisterflotte.

Über seine Abenteuer hat Huber Bücher geschrieben, Dokumentationen gedreht und viele Vorträge gehalten. Am Freitag, 14. Juni, wird er seine Präsentation mit Bildern und Videos erstmals in Lenggries halten, wo noch seine Eltern, sein Bruder und Freunde von früher leben. "Das ist schon etwas Besonderes", sagt Huber. Schließlich sei er im Ort noch "sehr verwurzelt". Davon zeugt auch das Bergpanorama, das als Ring auf seinem rechten Unterarm tätowiert ist. Unter seinem T-Shirt schauen auf den Oberarmen ein Maya-Symbol und ein Thor-Hammer für Mexiko und Skandinavien hervor.

In den Norden Deutschlands verschlug es Huber nach seinem Studium der Ur- und Frühgeschichte, Nordischen Philologie und Ethnologie in München und dem schwedischen Umeå. Als er erfuhr, dass es in Kiel das Fach Unterwasserarchäologie gibt, ließ er sich dort zum Forschungstaucher ausbilden und wurde schließlich Dozent am Institut für Ur- und Frühgeschichte, wo er auch promovierte. Huber, der schon mit 13 seinen ersten Schnuppertauchkurs gemacht hatte und von Archäologie fasziniert war, hatte ein Fach gefunden, in dem er seine beiden Leidenschaften verbinden konnte. Für die Uni erforschte zahlreiche Schiffswracks und geflutete Höhlensysteme auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Als das Institut den Schwerpunkt verlagerte, machte er sich 2013 mit vier befreundeten Meeresbiologen selbständig. Sie gründeten die Firma Submaris, die Forschungstauchen für wissenschaftliche Institute, Verbände und Medien als Dienstleistung anbietet. Hubers Team erstellt Gutachten für Nord- und Ostsee oder filmt für die Fernsehreihe "Terra X" Wracks in den Meeren der Welt. Sie hätten auch schon für den "Tatort" unter Wasser gedreht und kürzlich für einen Kinder-Kinofilm in Tasmanien, erzählt Huber. "Es sind unglaublich viele Projekte. Kein Tag ist langweilig." Dazu hat er immer noch eigene Forschungsprojekte. Über das U-Boot UC 71, das im Ersten Weltkrieg vor Helgoland gesunken ist, hat er gerade ein Buch herausgebracht. Derzeit erforsche er die deutschen Kriegsschiffe, die beim Seegefecht von Helgoland von den Briten 1914 versenkt wurden. "Ich publiziere schon noch wissenschaftlich", sagt er. "Aber nur dann, wenn ich will."

Das klingt nach Traumberuf. Huber antwortet nach kurzem Zögern mit einem klaren Ja. Obwohl er auch er viel Büroarbeit machen müsse: Anträge schreiben, recherchieren, Steuererklärungen. "Wir gehen nicht jeden Tag raus und erleben Abenteuer", sagt er. "Aber es gibt durchaus Indiana-Jones-Momente." Etwa den, als er in einer nach der Eiszeit überfluteten Höhle in Mexiko die Reste eines prähistorischen Elefanten entdeckte, nachdem er eine Stunde lang einen Kilometer weit in den Schacht getaucht war. "Das muss man psychologisch schon abkönnen", sagt Huber. "Aber dann bist du auf einem anderen Planeten und schwebst über diesem Elefantenskelett, das da seit 40 000 Jahren liegt." Brenzlige Situationen hat er nach eigenen Angaben noch keine erlebt. Schließlich habe er eine gute Ausbildung, eine gute Ausrüstung und ein gutes Team, erklärt Huber. Als Forschungstaucher analysiere man mögliche Gefahrensituationen stets vorher. "Wir sind keine Adrenalinjunkies, die in die Höhle tauchen, weil es cool ist", sagt er. "Sondern weil die Arbeit uns fasziniert."

Die hat auch etwas Detektivisches. So landete Huber kürzlich im Fingerhutmuseum in Creglingen, weil er in einem Wrack bei Mauritius einen Fingerhut gefunden hatte und herausfinden wollte, woher er stammt. Ungeklärte Rätsel birgt auch der Walchensee, den Huber schon auf vielen Tauchgängen erforscht hat: etwa zwei Autowracks und Reste eines Flugzeugs aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem Grund. Der Walchensee mit seinen 190 Metern Tiefe sei "eine spannende Schatzkammer", sagt Huber. Irgendwann werde er eine Dokumentation über ihn schreiben.

Freitag, 14. Juni, Alpenfestsaal Lenggries, Beginn: 21 Uhr, Eintritt: zehn Euro (ermäßigt fünf Euro)

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SZ vom 13.06.2019
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